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Wasserburg am Inn

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Freihandelsabkommen bedrohen Standards, Demokratie und Rechtsstaat

Freihandelsabkommen wie TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership, zwischen EU und USA) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement, zwischen EU und Kanada) sollen Handelshemmnisse wie Zölle und unterschiedliche Standards beseitigen. Damit kurbeln sie laut Aussagen der Befürworter das Wachstum an und schaffen neue Arbeitsplätze. Doch was sind die Risiken, und wie groß sind die positiven Effekte wirklich?

Standards im Sinkflug

Anders als bei früheren Freihandelsabkommen spielen Zölle bei TTIP und CETA insgesamt eine geringe Rolle, da sie zwischen den beteiligten Partnern schon vergleichsweise niedrig sind. Man konzentriert sich darauf, unterschiedliche Standards anzugleichen oder gegenseitig anzuerkennen.

Die Einigung auf gemeinsame technische Standards z. B. für Autoteile wie Blinker und Rücklichter ist häufig durchaus sinnvoll.

Anders sieht das bei Themen wie Umwelt- und Verbraucherschutz, den Rechten von Arbeitnehmern und der öffentlichen Daseinsvorsorge aus. Dort liegen die Bestimmungen in der EU und in Nordamerika sehr weit auseinander. Dass man sich hier bei den Verhandlungen auf den jeweils höheren Standard einigt, ist äußerst unwahrscheinlich - der niedrigere hat bessere Chancen. Auch eine gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Standards ist keine gute Lösung: Dann darf der Vertragspartner mit dem schlechteren Standard seine Ware ungehindert zum anderen exportieren.

Wichtige Errungenschaften wie die Kennzeichnungspflicht und das Vorsorgeprinzip sind in Frage gestellt. Gentechnik, Fracking und riskante Finanzprodukte könnten weiteren Auftrieb erhalten.

Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen hat die EU-Kommission z. B. Vorschläge für die Lockerung der Pestizidverordnung auf den Tisch gelegt, obwohl sie behauptet hatte, geltende Standards halten zu wollen!

Öffentliche Dienstleistungen wie für die Wasser- und Energieversorgung, das Gesundheits- und Bildungswesen, Kunst und Kultur könnten viel stärker dem freien Markt und damit dem privaten Profit geöffnet werden. Dadurch geraten die Verfügbarkeit, Qualität und Bezahlbarkeit der Leistungen in Gefahr. Die Bürokratie wächst durch Ausschreibungen großer Aufträge von Kontinent zu Kontinent.

Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat

Die Möglichkeiten zu späteren Verschärfungen von Standards werden durch die Freihandelsabkommen dramatisch eingeschränkt. Dabei sind viele Richtlinien in der EU schon heute verbesserungswürdig, zum Beispiel die Massentierhaltung.

Die bei den Freihandelsabkommen unterschriebenen Vereinbarungen hätten Vorrang vor EU-Recht und Gesetzen in den Nationalstaaten. Sie wären nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten und damit praktisch nicht mehr veränderbar.

Internationale Gremien, bei TTIP der "Rat für regulatorische Kooperation", sollen schon im Vorfeld dafür sorgen, dass durch neue Regeln und Gesetze keine neuen Handelshemmnisse entstehen. Somit bekämen z. B. die Amerikaner ein Mitspracherecht in der Gesetzgebung bei uns.

Wenn ein ausländisches Unternehmen investiert hat und sich diese Investition wegen einer staatlichen Maßnahme, z. B. einem schärferen Umweltgesetz, nicht wie erwartet rentiert, kann es den Staat auf Schadensersatz verklagen. Das in CETA aufgenommene und für TTIP geplante Investor-Staat-Schiedsverfahren ISDS (Investor-State Dispute Settlement) ist bereits bei anderen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen im Einsatz. Dabei werden solche Streitfälle nicht von ordentlichen Gerichten, sondern durch Gremien von privaten Wirtschaftsanwälten entschieden, die auch oft für internationale Konzerne tätig sind. Die Verhandlungen finden im Geheimen statt. Gegen den Beschluss gibt es keine Beschwerde, Revision oder Berufung. Die Verfahren kosten viele Millionen, die Entschädigungssummen können in die Milliarden gehen - dies kann Regierungen dazu nötigen, auf geplante Maßnahmen zu verzichten.

Intransparente und Industrie-gesteuerte Verhandlungen

Die europäischen Staaten haben die TTIP-Verhandlungen der EU-Kommission übertragen. Die Gespräche laufen weitgehend geheim. Auch die Parlamentarier bekommen Informationen, wenn überhaupt, nur mündlich oder zur Einsicht.

Über 90% der Beratungsgespräche der EU-Kommission zu den TTIP-Verhandlungen fanden mit Industrielobbyisten statt, nur ein kleiner Teil mit Interessenvertretern von Arbeitnehmern und Umwelt.

Das EU-Parlament darf nur über den kompletten TTIP-Vertragsentwurf abstimmen. Das gilt auch für die nationalen Parlamente, wenn ihr Votum überhaupt gefragt ist.

Wirtschaftlicher Nutzen - für wen?

Die versprochenen generellen Vorteile für Wachstum und Beschäftigung durch Freihandelsabkommen sind nicht glaubhaft. Die EU und Verbände wie der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) behaupteten bis vor kurzem, einer wissenschaftliche Studie zufolge werde sich durch TTIP das Bruttoinlandsprodukt der EU um fast 120 Milliarden Euro jährlich erhöhen; das entspräche etwa 1%. Nun musste man einräumen, dass dieser Anstieg nur einmalig nach 10 Jahren eintreten würde! Seriöse Wissenschaftler bezweifeln selbst das, genauso wie den positiven Effekt auf die Zahl der Arbeitsplätze. Auch bei anderen Freihandelsabkommen haben sich die optimistischen Prognosen nicht bestätigt, z. B. in USA und Mexiko beim NAFTA-Abkommen.

Die Chancen sind auch höchst ungleich verteilt: Die multinationalen Konzerne werden gewinnen, die mittelständische Wirtschaft wird mit wenigen Ausnahmen verlieren. Bedroht ist gerade bei uns die kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft, die mit der Massenproduktion in Amerika nicht mithalten kann.

Die Konsequenz kann daher nur lauten: Sofortiger Stopp der TTIP-Verhandlungen und keine Ratifizierung von CETA!

 

Bericht von der Großdemonstration am 10.10.2015 in Berlin

rosenheim24.de zum globalen Aktionstag am 18.4.2015 in Rosenheim

SZ zum globalen Aktionstag am 18.4.2015 in Europa

Vortrag von Richard Mergner bei der BN-JHV am 17.4.2015 in Rosenheim

ARD am 18.5.2015: Wohlstand für alle. Was bringen Freihandelsabkommen?

ZDF-WISO am 20.4.2015: Fallen jetzt deutsche Standards?

SZ: Peinliche Korrekturen am Freihandelsabkommen