Zur Startseite

Wasserburg am Inn

Eröffnung der Ausstellung "Insekten - einfach unverzichtbar"

am 10. Juli 2020 um 17 Uhr
auf dem Rathausplatz in Bernau
mit musikalischer Begleitung durch die Hafenstoaner Alphornbläser

„Faszination Insekten“ im Rathaus bis 11. August

Ausstellungseröffnung

Gerade noch schien die Sonne vom heißen Julihimmel, als die Hafenstoaner mit ihren Alphörnern die Ausstellung „Faszination Insekten – Insekten einfach unverzichtbar“ auf dem Rathausplatz musikalisch eröffneten. Die Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber begrüßte die anwesenden Besucher*ìnnen und bedankte sich für die Aktivitäten des Kunstkreises und des Bund Naturschutz Bernau, dass sie das Rathaus mit Leben erfüllten. Da schüttete es schon los, und die Gesellschaft flüchtete sich ins Innere, wo auch die 10 großformatigen Ausstellungsplakate aufgebaut waren.

Die Vorsitzende der Ortsgruppe, Pia Ostler, zeigte sich erfreut, dass diese Ausstellung mit dem so wichtigen Thema nach langen Monaten der erzwungenen Pause endlich wieder gezeigt werden könne. Sie betonte, dass auch Maßnahmen gegen das Artensterben ebenso schnell und effektiv umgesetzt werden müssten wie die Maßnahmen gegen Corona in den letzten Wochen. Positive Ansätze seien durch das ein Jahr zuvor in Kraft gesetzte Volksbegehren Artenvielfalt zu erkennen.

Frau Viktoria Puchstein von der Ortsgruppe Rimsting, die die Ausstellung maßgeblich mit konzipiert hatte, erläuterte anschaulich ihre Beweggründe und die einzelnen Themen. Der Rückgang der Insekten war schon lange unter Fachleuten bekannt, aber erst die Krefelder Studie von 2017 rüttelte die Medien und Menschen auf. In einem 27-jährigen Feldversuch hatten Forscher die Anzahl der Fluginsekten in Schutzgebieten in ganz Deutschland untersucht und dabei einen Rückgang der Biomasse um 76 % festgestellt! Weitere Untersuchungen in Europa und der Welt belegen ähnliche, erschreckende Ergebnisse. Anhand eines Nahrungsnetzes werden auf einer der Schautafeln die wichtigen Beziehungen eines Ökosystems dargestellt: Wenn einzelne Tier- oder Pflanzenarten wegfallen, kann das noch ausgeglichen werden. Wenn es aber zu viele werden, wird das Netz löchrig und reißt schließlich. Die Konsequenzen des Artenrückgangs sind noch nicht abzusehen, aber sie werden dramatisch sein.

Die Ausstellung zeigt aber nicht nur die Probleme, sondern auch Lösungsansätze in der Politik und bei jedem Menschen: Agrarzahlungen, die nicht Intensivierung, sondern Naturschutz fördern, eine extensivere Landwirtschaft, naturnahe Gärten.

Dies alles kann in der Ausstellung erfahren werden, die insbesondere auch für Kinder und Jugendliche geeignet ist.

Mit dem Hitzelsberg hat auch Bernau einen an Insekten und anderen Tier- und Pflanzenarten reichen Lebensraum, der seit Jahrhunderten extensiv genutzt wurde. Umso wichtiger ist es in der heutigen Zeit, diesen soweit es geht zu erhalten.

Bernauer Rathaus: “Ausstellung Faszination Insekten - Insekten einfach unverzichtbar” - Interview

Interview mit Viktoria Puchstein

Schon vor drei Jahren, als eine Langzeit-Studie aus NRW mit Daten von ehrenamtlichen Insektenkundlern für Aufsehen sorgte, zeigte sich, dass das Insektensterben in Deutschland gewaltige Ausmaße angenommen hat. Damit war bestätigt, was viele Fachleute schon lange vermutet hatten. Eine Ausstellung im Foyer des Bernauer Rathauses bis zum 11. August der Ortsgruppe Bernau des BUND Naturschutzes zeigt nun eindrücklich, wie wertvoll Insekten sind: „Faszination Insekten – Insekten einfach unverzichtbar.“  Was bedeutet das Insektensterben für die biologische Vielfalt? Was können wir dagegen unternehmen? Einige Mitglieder des BUND Naturschutzes im Landkreis Rosenheim, darunter Viktoria Puchstein, haben die Ausstellung konzipiert. Grundlage dazu war das Buch von Dr. Andreas Segerer und Eva Rosenkranz „Das große Insektensterben – Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen“. Die Ausstellung machte schon in einigen Rathäusern Station, um auf die Bedeutsamkeit von Insekten aufmerksam zu machen.

F1: Frau Puchstein, die Ausstellung “Insekten einfach unverzichtbar“ zeigt die biologische Vielfalt. Was passiert, wenn Insekten fehlen? Was bedeutet das Insektensterben für uns Menschen?

A: Nach der „Krefeld Studie“, die vor drei Jahren veröffentlicht wurde, hat dieses Jahr ein internationales Team von Insektenforschern aus allen Erdteilen die Ergebnisse seiner Studien bekannt gegeben. Das Insektensterben geht massiv weiter. Sie haben ihre Veröffentlichung mit „Warnung an die Menschheit“ überschrieben. Warum sind die Ergebnisse so erschreckend? Pflanzen und Tiere sind, was z. B. Nahrung und Fortpflanzung betrifft, aufeinander angewiesen. Viele verschiedene, wichtige Beziehungen im ökologischen Gefüge bilden die Ökosysteme der Erde. Man kann sie als sichere Hängematte darstellen, die für uns lebenswichtig ist. Was passiert, wenn Arten sterben, wenn das Netz der Hängematte löchrig wird? Was passiert, wenn es reißt? Andreas Segerer sagt dazu: „Insekten spielen mit ihrer Vielfalt eine tragende Rolle im Ökosystem. Ihr Verschwinden würde einen Kaskadeneffekt bedeuten, dessen Ausmaß noch gar nicht abzusehen ist.“

F3: Was sind konkret die Ursachen für den Rückgang der Insekten?

A: Das weltweite Insektensterben hat verschiedene Ursachen. Jahrhunderte lang hat der Mensch das Land extensiv bewirtschaftet und damit eine vielfältige, artenreiche Kulturlandschaft geschaffen. Heute sieht die Landnutzung anders aus. Durch die intensive Bewirtschaftung gibt es z.B. weniger Wildblumenwiesen, Brachflächen, Flurgehölze, Bachläufe und anderes mehr, was Lebensraum bieten würde. Stickstoffdünger, auch durch den zunehmenden Straßenverkehr, verhindert artenreichen Pflanzenbewuchs. Das Wachstum von Siedlungs- und Verkehrsflächen führt zu Flächenfraß und Landschaftszersiedelung. Die Lebensräume für Insekten werden dadurch immer weniger, sie bestehen heute vielfach nur noch aus isolierten Inseln.

F4: Kann man den Rückgang stoppen? Was kann jeder Einzelne von uns tun? Und was halten Sie von Insektenhotels?

A: Da ist natürlich hauptsächlich die Politik gefragt, aber auch jeder Einzelne. Wir müssen Lebensraum schaffen und jeder, der einen Garten oder Balkon hat, kann dazu durch eine insektenfreundliche Gestaltung beitragen. Viele Insekten brauchen Pollen und Nektar als Nahrung. Hier sollte man auf gefüllte Blüten verzichten, einfach blühende Pflanzen sind die bessere Wahl. Die Insekten suchen sie vom Frühjahr bis zum Herbst auf. Sie brauchen Schlaf- und Rastplätze z. B. in Blüten. Sie brauchen Futterpflanzen für ihre Larven. Manche brauchen für ihre Nester Totholz, Lehm oder Erdlöcher. Man kann ihnen das alles in einer sogenannten „Wilden Ecke“ im Garten anbieten. Manche Insekten nehmen auch sachgemäß gebaute Insektenhotels an. Dazu gibt es Anleitungen bei Naturschutzverbänden. Außerdem sollte man eine flache Schale mit Wasser aufstellen, als Tränke und Badewanne. Steine oder Ästchen darin sorgen dafür, dass kein Tier ertrinkt. Auch für die Überwinterung der Insekten ist der Garten wichtig, deshalb bitte trockene Stängel und Samenstände stehen lassen und erst im Frühjahr „aufräumen“.

Was können wir noch tun? Viele Landwirte sind bereit, ökologisch und umweltgerecht zu arbeiten. Wenn wir regional und biologisch produzierte Lebensmittel kaufen, sorgen wir für mehr wertvollen Lebensraum.

F2: Was passiert, wenn Insekten fehlen?

A: Dann werden wir verschiedene Probleme haben, z.B. im Obst- und Gemüseanbau. 90% unserer Blühpflanzen werden von Insekten bestäubt. Dabei übernehmen Wildbienen und Schwebfliegen den Großteil der Bestäubungsleistung. Sie fliegen, im Gegensatz zu Honigbienen, auch bei tieferen Temperaturen und Schlechtwetter. Außerdem sind sie effektiv und gute Pollenüberträgerinnen. Am besten für eine sichere Bestäubung ist eine Kombination aus Honigbienen mit einer Vielzahl von Wildbestäubern. Der Wert der weltweiten Bestäubungsleistung wird übrigens auf 200 bis 600 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Außerdem werden die Insekten als Nahrung für andere Tiere fehlen, z. B. für Vögel, Fische, Fledermäuse, Amphibien und viele mehr. Auch hier nehmen die Bestände deutlich ab. Denken Sie an die gegenseitigen Abhängigkeiten im ökologischen System.

Ohne Insekten hätten wir auch Probleme mit Aas, Kot und zerfallenden Substanzen. Unsere Insekten beseitigen diese „Abfälle“ und bereiten die Zersetzung durch Pilze und Mikroorganismen vor.

F5: Haben Sie ein bestimmtes Lieblingsinsekt?

A: Ein bestimmtes Lieblingsinsekt habe ich nicht. Aber ich mag es, wenn es summt und brummt und flattert. Leider ist das auch hier bei uns viel weniger geworden.

Vielen Dank für das Interview. Das Gespräch führte Elisabeth Kirchner.