Gentechnikfreies Bayern - Dichtung und Wahrheit (Langversion)
Zu einem Vortrag zum umstrittenen Thema Gentechnik hatte der BUND Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe Rosenheim, zusammen mit attac und Greenpeace Rosenheim, dem Kreisverband Imker Rosenheim e.V., dem Kreisverband Rosenheim für Gartenbau und Landespflege e.V., sowie der Zivilcourage Rosenheim eingeladen.
Als kompetenter Referent war Wolfgang Koehler gekommen. Der Jurist war während seines Berufslebens in verschiedenen Ministerien beschäftigt und leitete 10 Jahre lang das Referat für Biotechnologie und Gentechnik im Bundesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Zu Beginn führte Koehler aus, dass von Seiten der Politik die Biotechnologie für Deutschland als wichtig angesehen werde. Der Begriff Biotechnologie ist sehr umfassend, u.a. fällt darunter die Gentechnik. Auch bei Gentechnik muss zwischen roter, weißer oder grüner unterschieden werden.
Der Vortrag beschränkte sich auf die sogenannte Grüne Gentechnik, bei der es um das Verändern des Genoms von Pflanzen geht und um die daraus hergestellten Lebensmittel.
Die Entwicklung von Nutzpflanzen haben Menschen seit Tausenden von Jahren beeinflusst. Im Gegensatz zur Züchtung sind nach der rechtlichen Definition gentechnische veränderte Pflanzen solche, deren genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie es unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommt. Im Gegensatz zur Cis-Gentechnik spricht man von Trans-Gentechnik, wenn artfremde Gene eingebaut werden. Da auch in der Züchtung heute biotechnologische Methoden angewandt werden, ist eine Abgrenzung der Gentechnik schwierig. Eine Expertengruppe der EU-Kommission hat bisher keine Einigung erzielt.
Bevor gentechnisch veränderte Pflanzen in die Umwelt gelangen, muss eine Risikoanalyse durchgeführt und ein Genehmigungsverfahren durchlaufen werden. Der Referent stellte das Konzept der „substanziellen Äquivalenz“ in Frage, nach dem eine neu entwickelte Pflanze einer herkömmlichen gleichgestellt wird. Er belegte dies mit dem Beispiel eines Versuchs in Australien, wo einer Erbse ein Gen einer Bohne eingepflanzt wurde, was aber die Erbse völlig unbekömmlich machte. Hier stelle sich auch die Frage, wie lange bei Fütterungsversuchen und mit welchen Tieren geprüft werden müsse.
Als nächstes ging Koehler auf die Frage ein, wer diese Prüfungen durchführt. Es gibt Expertengremien beim BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-cherheit), darin die ZKBS (Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit), beim BfR (Bundesamt für Risikobewertung) und bei der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Der Referent führte aus, dass in allen diesen Gremien über die Zeit betrachtet dieselben Experten säßen, von denen keiner Gentechnik-kritisch sei. Dieses Problem sei systembedingt, da der Kreis der Wissenschaftler begrenzt sei. Er forderte daher, dass das Genehmigungssystem geändert werden müsse. Die EFSA formuliere immer, dass es nicht wahrscheinlich sei, dass es ein Risiko gibt. Ein Restrisiko bleibe immer und die Politiker müssten entscheiden, ob dieses für die Bevölkerung hinnehmbar sei oder nicht. Ein Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Barroso, die Mitgliedsstaaten jeweils entscheiden zu lassen, ruhe wegen des Widerstands von Deutschland. Die Zukunft des europäisch geregelten Gentechnikrechts hänge von den politischen Mehrheiten ab.
Daraufhin streifte der Referent kurz die Haltung der verschiedenen politischen Parteien zur Gentechnik, die von klarer Ablehnung bis völliger Zustimmung reicht.
Die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen Gentechnik, nicht nur in Deutschland, sondern inzwischen weltweit. Koehler begründete dies mit der Überlegung, wem die Gentechnik Vorteile bringe.
Den Verbrauchern bringe die Gentechnik keinen Vorteil, da sie über die Jahre keine höheren Erträge liefere, an den Klimawandel angepasste Sorten auch gezüchtet werden können (dies wurde allerdings 20 Jahre zugunsten der Gentechnik vernachlässigt), bei eiweißhaltigem Tierfutter Soja durch Leguminosen ersetzt werden könne.
Den Versprechungen der Gentechnikindustrie, Nahrungsmittel mit besonderen Eigenschaften wie erhöhtem Vitamingehalt („Golden Rice“) herzustellen, erteilte der Referent eine klare Absage, denn Nahrungsmittel seien keine Medikamente.
Sodann führte der Referent aus, dass Gentechnik auch keine Vorteile für die Landwirte bringe. In den höheren Saatgutpreis im Vergleich zu konventionellen Sorten sei der geringere Arbeitsaufwand einkalkuliert. In den USA habe sich durch Unkrautresistenzen aber mittlerweile der Pestizid- und Arbeitsaufwand stark erhöht. Allerdings gäbe es ohne Gentechnik nur noch alte, wenig ertragreiche Sorten, so dass den Landwirten keine Wahl bleibe. Auch das Beispiel des Baumwollanbaus in Indien zeige, dass höhere Erträge nur in den ersten Jahren erzielt werden, danach aber fallen und massive Probleme mit resistenten Schädlingen auftreten.
Einzig die Industrie hat nach Ansicht von Koehler Vorteile von der Gentechnik, und zwar wegen der Patentierbarkeit der gentechnisch veränderten Pflanzen. Der führende Konzern Monsanto nehme jährlich Patentgebühren in Milliardenhöhe ein und habe damit ein ideales Geschäftsmodell. Gentechnikkonzerne beeinflussen daher Regierungen, um ihre massiven finanziellen Interessen durchzusetzen.
Die Frage, was die Bevölkerung tun kann, um ihre Ablehnung der Gentechnik deutlich zu machen, beantwortete Koehler so, dass sie Einfluss auf die Politik nehmen müsse, sei es durch Demonstrationen und andere Protestaktionen, oder auch durch die Stimmabgabe bei Wahlen. Schließlich könne sie durch ihr Kaufverhalten Einfluss ausüben. Die Lebensmittelindustrie reagiere darauf, so nehme die Zahl der als gen-technikfrei gekennzeichnete Lebensmittel immer mehr zu.
In diesem Zusammenhang wies der BUND Naturschutz, Kreisgruppe Rosenheim darauf hin, dass er kürzlich die 2. Auflage seines Bio-Einkaufsführers herausgegeben hat. Darin finden die Verbraucher für den Landkreis nach Gemeinden geordnet Geschäfte, Direktvermarkter, Lieferservices und Restaurants. Der BN will damit auch die Bevölkerung bei der Entscheidung für gentechnikfreie Lebensmittel unterstützen.
Nach dem Ende des interessanten Vortrags wurden noch viele Fragen gestellt und lange angeregt diskutiert.