Spannende Diskussion zur Kleinwasserkraft bei den Rosenheimer Energiedialogen
Prof. Dr. Markus Aufleger, Leiter des Lehrstuhls Wasserbau der Uni Innsbruck, erläuterte zunächst typische Wasserkraftanlagen (WKA): Laufwasserkraftwerke, auch solche mit Ausleitungsstrecke, sowie steuerbare Speicherkraftwerke, die gut zu volatilen erneuerbaren Energien passen.
Bei der Energiewende, so Prof. Aufleger, müssten wir aus der fossilen Wärme aussteigen, was den Stromverbrauch in etwa verdopple. WKA seien hierfür ein wesentlicher Baustein. Aber verschiedene ökologische Probleme müssten gelöst werden: Sedimentablagerung, zu geringe Restwassermengen bei Ausleitung, stark schwankende Wasserstände bei Speicherung, schlechte Durchgängigkeit für auf- und absteigende Fische. Die Uni Innsbruck kümmert sich besonders um den Schutz beim Abstieg. Ökologisch besonders wichtige freie Fließstrecken sollten bewahrt werden.
Dr. Christoph Rapp, Leiter des Bereichs Wasserkraft der Stadtwerke München (SWM), hob die Stromerzeugung und die CO2-Einsparung durch die Isarkraftwerke in München sowie die Uppenborn- und Leitzachwerke hervor, fast alles größere Anlagen.
Die Wasserkraft-Nutzung sei historisch in der Regel ein Nebenprodukt anderer Ziele gewesen wie Gewässer-Sanierung, Grundwasseranhebung, Gewinn von Siedlungs- oder landwirtschaftlichen Flächen, Bewässerung, Hochwasserschutz und Schifffahrt.
Als weitere Vorteile der (SWM-)Wasserkraft zählte Dr. Rapp u. a. folgende Punkte auf: lokale Wertschöpfung durch Bau und Unterhalt, lange Lebensdauer, Schwarzstartfähigkeit, Netzstabilisierung, Regelenergie, Schaffung von neuen Habitaten und Reinigung der Flüsse von Müll.
Dr. Stefan Ossyssek, Referent für Arten- und Biotopschutz beim BUND Naturschutz (BN), präsentierte aktuelle Daten: WKA tragen ca. 15 % zum bayerischen Strommix bei, in Trockenjahren deutlich weniger. 95 % davon sind Kleinwasserkraftanlagen, die insgesamt nur 1,5 % des Stroms erzeugen.
Sogar in Naturschutz- und FFH-Gebieten würden solche Anlagen geplant. Negative Effekte entstünden durch Rückstau, Turbinen, fehlende ökologische Durchgängigkeit und Restwasserstrecken bei Ausleitung. Die rechtlichen Anforderungen, z. B. zur ökologischen Durchgängigkeit, würden sehr häufig verletzt. Der BN fordert daher deren Umsetzung bei bestehenden WKA, einen geförderten Rückbau von nicht mehr rentablen WKA und den Verzicht auf neue WKA insbesondere in Naturschutz- und FFH-Gebieten.
Prof. Dr. Jürgen Geist, Leiter des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie der TUM, berichtete über seine Untersuchungen zu Fischmortalität und Lebensraumveränderungen an nachgerüsteten konventionellen und innovativen WKA im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums. Danach kann der Fischabstieg über WKA erhebliche Fischschädigungen verursachen. Innovative WKA waren nicht generell besser als konventionelle. Trotz Rechen mit geringem Stababstand gelangten viele Fische in die gefährliche Turbine, je nach Standort bis zu 88 %. Fische, die den Wehrüberfall passierten, fielen manchmal auf eine Betonplatte. Die Mortalitätsrate betrug zwischen 2 und 43 %, an einem Standort für eine Art sogar über 80 %. Innovative WKA konnten Lebensraumveränderungen in den Staubereichen nicht vermindern, strömungsliebende Arten gingen auch hier zurück.
In der folgenden Podiumsdiskussion antworteten die Experten auf konkrete Fragen des Moderators und später aus dem Publikum. Hierbei wurde zum Teil sehr konträr diskutiert, aber es fanden sich auch gemeinsame Lösungswege. Einige Aussagen blieben unwidersprochen: Der Rückbau großer WKA kommt nicht in Frage. Die rechtlichen Anforderungen gelten für alle Anlagen. Für den Fischaufstieg gibt es mittlerweile gute Lösungen, im Gegensatz zum Fischabstieg. Der Bau einer WKA ist eine Festlegung auf viele Jahrzehnte.
Auch dem Eindruck des Moderators, die Untersuchungen ökologischer Auswirkungen der Wasserkraft steckten noch in den Kinderschuhen, widersprach niemand.
Nach Veranstaltungsende nutzten viele die Möglichkeit für Fragen an die noch anwesenden Experten oder für Diskussionen im kleineren Kreis.
Die „Rosenheimer Energiedialoge“ sind eine Initiative von TH Rosenheim, Landratsamt Rosenheim, Energiezukunft Rosenheim, Klimaschutzmanagement Kolbermoor, Rosolar und BUND Naturschutz Rosenheim. Nach Möglichkeit wird einmal im Monat an wechselnden Orten der Region eine Informationsveranstaltung zu den Themen Energiewende und Nachhaltigkeit angeboten. Teilnehmen können alle interessierten Bürgerinnen und Bürger. Der Eintritt ist frei und eine Voranmeldung nicht erforderlich.
Links:
Folien zu den Vorträgen:
Interview des RFO mit Diana Genius, Landratsamt Rosenheim zur Situation in Stadt und Landkreis Rosenheim:
https://www.rfo.de/mediathek/video/rosenheimer-energiedialoge-wie-kann-man-die-kleinwasserkraft-ins-energienetz-integrieren
Position des BN zur Wasserkraft gemeinsam mit anderen Umweltverbänden