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Wasserburg am Inn

Stellungnahme zur Kampenwandseilbahn 2021

Rosenheim, 11.6.2021

Vollzug des Bayerischen Eisenbahn- und Seilbahngesetzes (BayESG);
Antrag auf Änderung der Bau- und Betriebsgenehmigung für die Errichtung einer neuen kuppelbaren 8er-Kabinenbahn anstelle der bisherigen Kampenwandseilbahn Aschau i. Chiemgau

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Beteiligung am o. g. Verfahren. Im Namen des BN-Landesverbands nehmen wir gemäß § 63 BNatSchG als anerkannter Naturschutzverband zu dem Vorhaben wir folgt Stellung:

Mit Bescheid vom 5.1.2017 hat das Landratsamt Rosenheim die von der „Kampenwandseilbahn GmbH“ mit Antrag vom 12.5.2016 beantragte Bau- und Betriebsgenehmigung für den Neubau der kuppelbaren 8er-Kabinenbahn als Ersatz für die bisherige 4er-Kabinenbahn unter Auflagen und Nebenbestimmungen erteilt. Da sich Änderungen in der Planung ergeben haben, wurden die Unterlagen nochmals ausgelegt und am 5.5.2021 um weitere Unterlagen ergänzt.

Durch die am 5.5.2021 übermittelten Unterlagen konnten die mit Schreiben vom 15.10.2020 gemachten Einwände zur fehlenden Festschreibung der Ausgleichsmaßnahmen und Ausgleichsflächen beseitigt werden. Unseren Einwand zur fehlenden Verantwortlichkeit für die Umsetzung des Besucherkonzepts erhalten wir aufrecht.

Hierzu im Einzelnen:

Besucherlenkungskonzept

Grundsätzlich finden wir es gut, dass ein Besucherlenkungskonzept Bestandteil der Planungsunterlagen ist, da die Kapazitätssteigerung zum Ausweichen in bisher verschonte Bereiche führen kann und dies verhindert werden muss. Leider ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, wer für die Umsetzung verantwortlich ist, wann die Umsetzung erfolgt und für welches Gebiet das Konzept gilt. Ohne die Festlegung von Zuständig- und Verantwortlichkeiten ist das Konzept wirkungslos. Grundsätzlich sollte mit dem Besucherlenkungskonzept auch die Zuständigkeiten für den Unterhalt / die Pflege der Wege und der Beschilderung geregelt werden.

Das Besucherlenkungskonzept legt den Schwerpunkt auf Natura 2000-Arten und einigen zusätzliche ausgewählte Arten. Die Maßnahmen zum Schutz der Raufußhühner, als eine der störungsempfindlichsten Arten, sind nicht ausreichend. Dies gilt im besonderem dem Birkhuhn mit Balzplätzen sowohl im Bereich der Bergstation als auch im Bereich der viel begangenen Steinlingalm. Es sind unbedingt räumlich und zeitlich definierte Ruhezonen einzurichten.

Wir sind der Meinung, dass auch der allgemeine Zustand von Naturräumen beachtet und geschützt werden muss. Das Konzept setzt auf „weiche“ Maßnahmen wie Infotafeln, Anleinpflicht von Hunden, verbesserte Wegemarkierungen, Verhaltenskodex für Selbstversorgerhütten, Pachthütten etc. Die geplanten Hinweistafeln zur Markierung von Wuchsgebieten des Frauenschuhs halten wir z. B. für eine ungeeignete Schutzmaßnahme. Es besteht die Gefahr, dass diese Hinweise zu illegalen Entnahmen und zum Pflücken missbraucht werden. Hinweistafeln an Wuchsorten sollten grundsätzlich vermieden werden. Im Klausgraben kann z.B. deutlich beobachtet werden, dass (mit einer Ausnahme) Frauenschuhe nur noch an unzugänglichen Stellen im Steilhang wachsen.

Die Erfahrungen an den „Corona-Wochenenden“ zeigten, dass ein Appell an Vernunft und diese „weichen“ Maßnahmen nicht ausreichend sind, um Fauna und Flora des Kampenwandgebiets ausreichend zu schützen. Damit die geplante Modernisierung realisiert werden kann, sind über die beschriebenen Maßnahmen hinaus „harte“ Schutzmaßnahmen notwendig wie:

  • zeitliche Begrenzung der Transportkapazität bergwärts bei großen Menschenmengen im Kampenwandgebiet. Laut Aussage des Betreibers ist das Kapazitätsproblem talwärts, wenn große Veranstaltungen beendet sind oder schlechtes Wetter aufzieht;
  • zum Erhalt des Frauenschuhbestandes sind während der Blütezeit zur Durchsetzung des Pflückverbots Personal (Ranger) einzusetzen;
  • zum Schutz der Raufußhühner sind zeitlich befristete oder bzw. dauerhafte Sperrungen nach § 9 Alpines Gelände oder Wildschutzgebiete nach dem Jagdgesetz notwendig;
  • Winter und Schneeschuhwandern - Weiße Wanne: Die weiße Wanne ist während der ganzen Vegetationszeit ist ein sehr ruhiges Gebiet. Wenn im Winter das Gebiet gezielt zum Winterwandern und Schneeschuhgehen genutzt wird, ist die Gefahr der Störung von Tieren auszuschließen. Eine Flucht von Tieren, die in diesem normalerweise ruhigen Gebiet ihren Unterstand suchen, kann im Winter durch den Energieverbrauch existentiell sein. Das Schneeschuhwandern abseits der gewalzten Flächen ist zu verhindern;
  • bei Markierung von bestehenden „Jägersteigen" ist unbedingt darauf zu achten, dass das Begehen der „Jägersteige“ nicht zu Störungen / Zerstörung von sensiblen Arten führt;
  • da vom Mountainbiken eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeht, sollen Gasthäuser, Hütten und Almen im Kampenwandgebiet nicht mit E-Bike-Ladestationen ausgerüstet werden;
  • die für die Tourenplanung der Biker genutzten Medien (Print) und vor allem Online-Seiten und -Foren müssen für die Besucherlenkung genutzt werden und bei entsprechenden Tourentipps ggf. informierend eingegriffen werden;
  • ein Beförderungsverbot von Downhill-Bikes und eine Beschränkung des Transports von Mountainbikes bei Spitzenauslastung der Seilbahn sollte erfolgen;
  • die Maßnahme V 05, Vermeidung von Vogelschlag an den Panoramaglasscheiben der Bergstation, halten wir für unzureichend, da sich Klebefolien, Greifvogelsilhouetten oder UV-Behandlungen langfristig als wirkungslos herausgestellt haben. Es sind übermäßig große durchsichtige oder spiegelnde Flächen aus Glas und Metall zu vermeiden bzw. so zu gestalten oder zu behandeln, dass diese von Vögeln wahrgenommen werden können und Spiegelungen unterbleiben.

Weiterhin muss die Gemeinde Aschau/Sachrang verpflichtet werden:

  • keine Erweiterung der Parkkapazitäten in Aschau/Sachrang und bei den zahlreichen Wanderparkplätzen durchzuführen;
  • den Aus- und Neubau von Gastronomie im Kampenwandbereich sowie Eventeinrichtungen wie Vergnügungspark, Downhill-Strecken, spektakuläre Aussichtsplattformen, nicht zu genehmigen;
  • ein Verkehrskonzept zu entwickeln, um den ÖPNV zu fördern und so die Anreisen per Auto zu minimieren (z.B. Shuttlebus vom Bahnhof zur Talstation der Kampenwandbahn);
  • verstärkte Parküberwachung / Polizeiaktionen gegen das „wilde“ Parken.

Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)

Die saP hat unserer Meinung nach folgende formale Mängel, da die Erhebungsmethodik nicht den gängigen Methodenstandards entspricht (Albrecht et al. 2013: Leistungsbeschreibungen für faunistische Untersuchungen im Zusammenhang mit landschaftsplanerischen Fachbeiträgen und Artenschutzbeitrag):

  • 4 Begehungen sind für einen strukturreichen Lebensraum nicht ausreichend;
  • die faunistischen Daten sind veraltet, d. h. die Aufnahmen der Vögel und Fledermäuse im Jahr 2013 steht der „5-Jahres-Regel“ entgegen (z. B. Gassner, Winkelbrandt & Bernotat 2010: UVP und strategische Umweltprüfung: Rechtliche und fachliche Anleitung für die Umweltverträglichkeitsprüfung);
  • die Aktualisierung der faunistischen Daten erfolgte nur zum Birkhuhn im Bereich der obersten 10 % der Trasse, die restlichen 90 % der Trasse wurden nicht erneut erfasst und/oder bewertet.

Sie ist deshalb neu zu erstellen.

Inhaltlich haben wir zur saP folgende Anmerkungen:

  • das Vorkommen des Auerhuhns an der Kampenwand ist gesichert (Plattform www.ornitho.de) und muss deshalb in saP und FFH-Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt werden;
  • es ist davon auszugehen, dass auch der Feuersalamander im Bereich der Kampenwandbahn vorkommt. Die saP-Maßnahmen für den Alpensalamander sollten deshalb auch auf den gefährdeten Feuersalamander ausgedehnt werden;
  • zum Schutz des Birkhuhns und des Auerhuhns sind während der Balzzeit auf den obersten 10% der Strecke einschließlich Bergstation jegliche Bautätigkeit sowie Hubschrauberflüge zu unterlassen;
  • die Anzahl der Hubschrauberflüge sollen möglichst um die Mittagszeit durchgeführt werden und sind auf ein Mindestmaß zu beschränken (Flugzeiten gemäß Tabelle 3 (S. 22 saP, V-03);
  • der in der saP beschriebene Schutz für Birk- und Auerhuhn ist unzureichend. Der Bereich der Jungenaufzucht des Birkhuhns sowie der Einstände des Auerhuhns sind während der gesamten Bauzeit im oberen 10% der Strecke einschließlich Bergstation durch geeignete Abschirmung zu schützen;
  • sollte das Monitoring der Birkhuhnaktivitäten gemäß saP (S. 31) insbesondere während der Bauzeit eine Verschlechterung im Bestand der Birkhuhnpopulation zeigen, sind umgehend Maßnahmen zum Birkhuhnschutz zu ergreifen;
  • der Einfluss der „Tieferlegung“ des Seilverlaufs im oberen Trassenbereich wurde nicht als Wirkfaktor aufgenommen und bewertet;
  • die geplante Beleuchtung der Stützen bis 1.00 Uhr nachts lehnen wir gemäß Art 11 a BayNatSchG als Eingriff in die Insektenfauna ab;
  • auch halten wir eine Beleuchtung in unmittelbarer Nähe von Biotopen für nicht genehmigungsfähig;
  • alle sicherheitsrelevanten Beleuchtungen sind insektenfreundlich zu gestalten mit warmweißen LEDs (Lichtfarbe 2.700-3.000 Kelvin), oder Natriumdampfniederdrucklampen;
  • alle nicht sicherheitsrelevanten Beleuchtungen sind insektenfreundlich zu gestalten (s. oben) und eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheut und spätestens um 23 Uhr abzuschalten;
  • gerichtete Gebäude- und Wegbeleuchtung sollte mit möglichst niedrigen Lichtmasten (dafür ggf. zusätzliche Lichtpunkte), mit „Full-Cut-Off-Leuchten“ (nachweislich keine Abstrahlung nach oben oder über die Horizontale, dichte Leuchtengehäuse ohne Fallenwirkung und Leuchten, deren Oberflächentemperatur nicht über 60 °C erreichen), errichtet werden;
  • reine Fußwegbeleuchtung sollte bodennah (max. 1 m über dem Boden) und ggf. mit Bewegungsmeldern ausgeführt werden;
  • die enorme Kapazitätssteigerung der Kampenwandbahn hat zur Folge, dass zahlreiche und unerfahrene Bergtouristen in das Kampenwandgebiet gebracht werden und sich dadurch die Anzahl an Bergrettungseinsätzen erhöhen werden. Dies wurde bei der Einschätzung, ob ein Störungsverbot vorliegt, nicht berücksichtigt. Aus unserer Sicht ergibt sich daraus allerdings ein Verbotstatbestand.

Kompensationsmaßnahmen

Die Aufwertungsmaßnahmen „Auer Moor“ mit 38.000 Wertpunkten decken den größten Teil des Kompensationsbedarfs ab. Wir bitten um Prüfung, ob nicht mehr Ausgleichsmaßnahmen im Kampenwandgebiet oder näher am Eingriffsort erfolgen können.

Betriebszeiten / Sonderfahrten

Über die beantragten Betriebszeiten

  • Mai bis 30. Juni: 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr
  • Juli bis 15. September 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr
  • 16. September bis 30. November 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr
  • Dezember bis 30. April 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr

hinaus sind ca. 200 Sonderfahrten beantragt, die bis spätestens 3:00 Uhr abgewickelt werden. In Hinblick auf die angrenzende Birkwildpopulation und die Betroffenheit der Anwohner an der Talstation ist die Anzahl mengenmäßig und zeitlich stark zu begrenzen. Sollte sich eine Verschlechterung des Bestandes der Birkwildpopulation einstellen, sind die Fahrten auf das äußerste Minimum zu reduzieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Fees
Geschäftsführerin

gez.
Peter Kasperczyk
1. Vorsitzender

BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Kreisgruppe Rosenheim