Chronik der BN-Ortsgruppe Prien/Breitbrunn/Gstadt
Aufgrund der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert nahm der Bezug der Bevölkerung zur Natur erheblich ab, was einen immer rücksichtsloseren Umgang mit der Naturlandschaft zur Folge hatte. Um dieser erschreckenden Entwicklung entgegen zu wirken, wurde 1913 der Bund Naturschutz in Bayern (BN) gegründet, der mit der Bewahrung des Königssees vor einer monumentalen Verschandelung seinen ersten großen Erfolg verbuchen konnte. Leider brachten es die darauffolgenden politischen Entwicklungen, vor allem die Gleichschaltung unter dem Nazi-Regime, mit sich, dass der BN bald wieder an Einfluss einbüßte. Auch noch in der Nachkriegszeit dümpelte der Verein obrigkeitsgläubig dahin, bis Hubert Weinzierl in den 70er-Jahren den Vorsitz übernahm. Nun mauserte sich der BN zu einem unabhängigen und schlagkräftigen Verband, der sich auf nationaler und internationaler Ebene im gesellschaftlichen und politischen Raum für einen umfassenden und nachhaltigen Natur- und Umweltschutz einsetzt. Wobei ihm die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen für Mensch, Tier und Pflanze und der Artenvielfalt besonders am Herzen liegen.
In Prien dauerte es etwas, bis im Jahr 1980 von etwa 100 BN-Mitgliedern aus mehreren Gemeinden die Ortsgruppe Prien-Rimsting unter dem Vorsitz von Rainer Paul aus der Taufe gehoben wurde. Ab 1985 übernahm Hans Zimmermann, der bekannte Naturfotograf, den Vorsitz und übergab ihn dann 1997 an Gerhard Märkl, der bis dato die Geschicke der Ortsgruppe leitet. In der Zwischenzeit wurden die Ortsgruppen Bernau und Rimsting gegründet und die BN-Mitglieder von Breitbrunn, Gstadt und der Gemeinde Chiemsee in die Priener OG eingegliedert.
Heute hat die OG Prien etwa 300, die Kreisgruppe Rosenheim über 6 000 und der BN in Bayern etwa 245 000 Mitglieder. Außerdem ist der BN in Bayern auch Landesverband des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland).
In unserer hektischen Zeit stellen immer mehr Leute fest, dass das "Immer mehr, und immer schneller" letztlich nicht befriedigend ist. Deshalb versucht die Ortsgruppe Prien durch vielerlei Angebote zu einer alternativen Lebensführung hinzuführen.
Jeden ersten Dienstag im Monat treffen sich Interessierte zum BN-Stammtisch, bei dem für den Natur- und Umweltschutz bedeutsame kommunale Projekte diskutiert und Stellungnahmen dazu erarbeitet werden. Außerdem werden Zeitungsartikel, Leserbriefe und Schreiben an Behörden verfasst, Infostände und Plakataktionen zu BN-Anliegen sowie Bürger- und Volksbegehren vorbereitet.
BN-Mitglieder beteiligen sich auch an Demos und den von der Kreisgruppe Rosenheim durchgeführten naturpflegerischen Maßnahmen im Bärnsee-Moor und auf dem Samerberg, sowie beim Amphibienschutz.
Per E-Mail informiert der Vorsitzende unter dem Motto "Interessantes vom Chiemsee bzw. aus dem Chiemgau" über geplante Aktionen und aktuelle Naturbeobachtungen.
In einer selbständigen Kindergruppe bemüht sich Katharina Puchalla den Kleinen bei Spiel und Spaß in der warmen Jahreszeit die Natur näher zu bringen.
Es sind die kleinen Dinge, die das Leben wertvoll machen. Man muss nicht Hunderte von Kilometern mit dem Auto bzw. stundenlang mit dem Flugzeug unterwegs sein, um etwas zu erleben. Auch in der heimischen Landschaft gibt es viel zu entdecken! Seit vielen Jahren veranstaltet deshalb die Ortsgruppe zusammen mit den Bernauern geführte Naturspaziergänge. Ob am Bärnsee Lilien, Orchideen, Sonnentau oder Enzian, im Priental frühblühende Leberblümchen, Scharbockskraut, Goldstern oder Aronstab, der überwältigende Chiemseeblick von der Ratzinger Höhe, die Vogelstimmen vom Rotkehlchen, dem Zaunkönig, der Mönchsgrasmücke oder dem Zilpzalp oder der rosa Blütenteppich in der Kendlmühlfilzen - in unserer abwechslungsreichen Chiemseelandschaft gibt es immer wieder Interessantes zu hören bzw. zu sehen.
Und dann gibt es natürlich auch unvorhergesehene Erlebnisse, die noch lange in Erinnerung bleiben: In einem Winter, der diesen Namen noch verdiente, war eine BN-Gruppe auf dem Uferweg Richtung Prienmündung unterwegs. Parallel dazu glitten wagemutige Schilangläufer auf dem kürzlich zugefrorenen Chiemsee-Eis dahin. Plötzlich standen sie bis zum Bauch im eiskalten Wasser. Das war vielleicht ein Schreck! Nur gut, dass die tollkühnen Sportler in Ufernähe waren und sich deshalb schnell selbst retten konnten!
In der heutigen hochtechnisierten Welt ist vielen Menschen die Erkenntnis verloren gegangen, dass ohne intakte Natur menschliches Leben auf Dauer nicht möglich ist. Wenn ich mir die Mitgliederliste von 1984 anschaue, sehe ich herausragende Persönlichkeiten, die zusammen mit Gleichgesinnten, mit großem Engagement, oft gegen erheblichen Widerstand von Behörden und Wirtschaftsvertretern, sich dafür eingesetzt haben, dass unsere Chiemgaulandschaft vor schlimmen Eingriffen bewahrt wurde:
Friedrich Dürr erreichte durch seinen hartnäckigen Einsatz, dass die Mülldeponie des Landkreises in Urschalling nach jahrelangen Kämpfen geschlossen wurde. Außerdem zusammen mit der Bürgerinitiative "Rettet die Kendlmühlfilzen", dass dieses einzigartige Hochmoor vor der Zerstörung bewahrt wurde.
Dr. Rotraud Viebahn kämpfte zusammen mit Hans Sommer für einen behutsamen Ausbau des Wegs zur Brandlbergalm und sorgte so dafür, dass diese Idylle im Aschauer Tal erhalten wurde.
Hans Steinbichler gründete zusammen mit Karl Lindner und Lothar Obermaier die BI "Rettet den Geigelstein", schützte damit den Blumenberg des Chiemgaus vor einer sinnlosen Schischaukel zwischen Schleching und Sachrang und erreichte, dass dieses herrliche Wandergebiet heute unter Naturschutz steht.
Dr. Friedrich Steding brachte seinen großen Sachverstand in die Diskussion um den geplanten Chiemsee-Ringkanal ein, warnte vor der Errichtung der Sammelkläranlage am Ausfluss des Chiemsees und sorgte so dafür, dass die Alz mit ihren romantischen Schleifen zwischen Seebruck und Altenmarkt am Leben erhalten wurde.
Helge Holzer, langjährige Vorsitzende der BI "Rettet den Chiemsee" und unüberhörbare "Stimme" im Namen des Naturschutzes, war schon dabei, als die Herrnberg-Ostseite in Prien vor einer Bebauung bewahrt wurde, und erreichte, dass am Chiemseeufer weder eine Sportanlage noch ein Riesenhotel errichtet wurden.
Die erfolgreiche Arbeit der genannten BN-Mitglieder zeigt, dass sich Engagement für die Natur lohnt und ist uns Ansporn, in diesem Bemühen nicht nachzulassen.
Gerhard Märkl, 1. Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Prien/Breitbrunn/Gstadt, im Mai 2020
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