Leserbrief zu Baumfällungen in der Prinzregentenstraße
Alte Bäume – nur ein Sicherheitsrisiko?
Der Bund Naturschutz lehnt die Fällung von weiteren 24 Linden in der Prinzregentenstraße entschieden ab. Die Stellungnahme eines überregional anerkannten Gutachters – der über die rigorose Vorgehensweise der Verwaltung sehr erstaunt war - zeigt die Alternative auf: Zunächst muss der Zustand jedes Baumes nicht nur visuell untersucht werden, sondern auch mit neueren Messverfahren wie etwa der Schaltomographie. Wo notwendig, erfolgt ein Rückschnitt; in Einzelfällen werden Kronenverankerungen angebracht.
Natürlich würden die Schnittmaßnahmen geringer ausfallen, wenn man bereits in den letzten Jahren mehr getan hätte. Bei richtiger Durchführung wird dennoch kein Baum zum Torso verunstaltet, die Linden werden sich als robuste Straßenbäume rasch wieder erholen. Die Seile moderner Kronenverankerungen sind kaum sichtbar, Eisenringe werden schon lange nicht mehr eingesetzt.
So können die meisten Bäume in der Prinzregentenstraße noch für Jahrzehnte sicher stehen – nicht aus purer Nostalgie, sondern aufgrund handfester Vorteile.
Gerade an einer viel befahrenen Straße haben große alte Bäume einen hohen ökologischen Wert für die Sauerstoffversorgung, zur Verringerung von Staub (auch Feinstaub) und Lärm sowie als Schattenspender und Luftbefeuchter im Sommer; dazu bieten sie Lebensraum für Vögel und Insekten. Junge Bäume können diese Dienste auch nach einer Menschengeneration Standzeit nur in weit geringerem Maße leisten, wenn sie überhaupt durchkommen. Um den gleichen Effekt allein hinsichtlich der Sauerstoffversorgung zu erzielen, müssten für einen einzigen Großbaum mehr als hundert neue Bäume gepflanzt werden!
Größere und ältere Bäume sind schöner und interessanter als kleine, auch wenn sie den einen oder anderen sichtbaren Fehler aufweisen. Und eine ganze Allee mit vielen solchen Laubbäumen wie die Prinzregentenstraße hat einen unschätzbaren optischen und städtebaulichen Wert, gerade für eine Stadt, die sich zur Landesgartenschau rüstet.
Auch wenn die Kosten bei einer so bedeutenden Allee nicht die wichtigste Rolle spielen sollten: Baumerhaltende Maßnahmen sind nicht unbedingt teurer als die Summe für Fällung, Entsorgung, Ausfräsen des Wurzelstocks, Vorbereitung des Bodens, Anschaffung des Jungbaums, Pflanzung und besondere Pflege während seiner ersten Jahre.
Insgesamt muss sich im Umgang mit den Bäumen der Stadt einiges ändern. Für den gesamten Baumbestand ist ein Konzept zur stetigen Pflege zu entwickeln und umzusetzen; der oft beobachtete Wechsel von jahrelanger Untätigkeit zu Radikalmaßnahmen muss ein Ende haben. Anstatt bei Fällungen vollendete Tatsachen zu schaffen, sollten die dafür zuständigen Gremien frühzeitig eingeschaltet und die Öffentlichkeit informiert werden. Vorschriften zur Wurzelschonung bei Bauarbeiten dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssen eingehalten und überwacht werden. Die Bedeutung der Baumerhaltung bei Neuplanungen - etwa auf dem Gelände der Landesgartenschau - muss weit höher werden als bisher.
In viele Kommunen hat man den großen Wert alten Baumbestandes in der Stadt erkannt; mit modernen Methoden, meist auch mit Hilfe externer Spezialisten, werden die Bäume nach Möglichkeit erhalten. Wann endlich entschließt sich auch die Holzstadt Rosenheim zu einem sensibleren Umgang mit lebendem Holz?