Mehr Stadtbus – weniger Autos in Rosenheim?
Es liegt im wesentlichen am politischen Willen, ob eine Stadt ein funktionierendes Bussystem hat oder nicht. Das ist das Ergebnis der Vorträge und der Diskussion, die im Rahmen der Reihe "Reden über Rosenheim“ zum Thema "Mehr Stadtbus – weniger Autos in Rosenheim?" stattfanden.
Klaus Steiner, Geschäftsführer der Stadtwerke Lindau, erläuterte das bewusst einfach gehaltene Bussystem in Lindau, das zum Vorbild für viele Kommunen geworden ist, sich selbst 1994 aber auch am Vorbild Dornbirns (Österreich) orientierte. Möglich war und ist das funktionierende Bussystem in Lindau u.a. nur dadurch, dass es keine Bevorzugung des Autoverkehrs gibt und der Bus immer grüne Welle hat. In Lindau identifizieren sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Stadtbus, der ein Gebiet von der Größe Rosenheims, jedoch mit weniger als der Hälfte an Einwohnern, bedient.
Ingmar Töppel, Geschäftsführer der „Stadtverkehr Rosenheim GmbH“ (svr) überraschte in seinem Vortrag die Zuhörer zunächst damit, dass das Unternehmen ausschließlich privatwirtschaftlich – ganz ohne Zuschüsse seitens der Stadt Rosenheim – betrieben wird. Bei aller Kritik am Rosenheimer Bussystem wurde ihm dabei aus dem Saal wie von seinem Lindauer Kollegen Respekt und Beifall gezollt. In Deutschland ist das in größeren Städten einmalig. Das System muss unter diesen Umständen betriebswirtschaftlich ganz eng an das wechselnde Fahrgastaufkommen angepasst werden, und zwar sowohl in der Taktung wie auch in der Länge des Abendbetriebes. Erschwernis in Rosenheim ist generell, dass auf den Busbetrieb zu wenig Rücksicht genommen wird, angefangen von den Baustellen, die manche Linien Monate lang unterbrachen, über zu enges Parken in den Straßen bis hin zu den Busspur-Versatzstücken und nicht mehr zeitgemäßem Stand der Ampel-Beeinflussung. Dass Lösungen für ein besseres Bussystem möglich wären und das entsprechende Angebot auch angenommen würde, zeigte die Zeit der Landesgartenschau: Das dauerhafte Angebot von P+R wurde über Erwarten gut angenommen und hat auch sehr gut funktioniert. Kurzzeitige Maßnahmen wie beim Herbstfest verpuffen dagegen.
Von den Zuhörern wurden die schlecht auffindbaren Bushaltestellen am Bahnhof, der oft schwer nachvollziehbare Linienwechsel und die manchmal recht unfreundlichen Busfahrer angesprochen. Herr Töppel zeigte sich dankbar für jede Anregung aus dem interessierten Publikum und versprach Abhilfe. In der Diskussion schälte sich heraus, dass für ein kundenfreundliches Bussystem in Rosenheim wegen der höheren Bevölkerungsdichte bessere Ausgangsbedingungen vorliegen als in Lindau, dass aber der politische Wille fehlt, Wettbewerbsgleichheit mit dem Autoverkehr herzustellen. Beim Bau der Trasse Panorama-Schwaig z. B. wurde die förderfähige Lichtsignalanlage für den Busverkehr einfach vergessen. Selbst beim Ausbau von Straßen wird auf eine Busspur verzichtet, so dass zu Hauptverkehrszeiten der Bus in den Stau gezwungen wird. Der Autoverkehr wird dagegen mit hohen Investitionen in Parkhäuser unterstützt, die schlecht ausgelastet sind und deren Betrieb vermutlich direkt oder indirekt bezuschusst werden muss. So nimmt es nicht Wunder, dass in Rosenheim nur 7 % des Verkehrs über den Stadtbus abgewickelt werden, ein Wert, mit dem die Stadt unter allen deutschen Oberzentren als Schlusslicht dastehen dürfte. Bei absehbar sich verändernden Rahmenbedingungen wie steigendem Anteil älterer Menschen, Energieverteuerung und weiter hin prognostiziertem Zuwachs an Verkehrsaufkommen droht dafür die Quittung erst noch zu kommen.