September 2020: Stellungnahme zum Gewerbegebiet Brucklach
41. Änderung des Flächennutzungsplans "Gewerbegebiet Brucklach" und Bebauungsplan Nr. 177 "Gewerbegebiet Brucklach - Bauabschnitt 1 Nord"
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Landesverbandes und der Kreisgruppe Rosenheim des BUND Naturschutz (BN) geben wir zu den Unterlagen folgende Stellungnahme ab:
1. Zusammenfassung
Der BN lehnt das gesamte Gewerbegebiet an dieser Stelle ab. Es gibt sinnvollere Alternativen in Rosenheim.
Im Folgenden wird dies näher begründet.
2. Flächenverbrauch
2.1 Gründe für das Flächensparen
Flächensparoffensive
Offenbar hat die Staatsregierung die Dringlichkeit des Flächensparens erkannt: Im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2018 – 2023 wurde unter Punkt 2 „Für eine gesunde Umwelt“ eine deutliche und dauerhafte Senkung des Flächenverbrauchs im Freistaat sowie ein Bekenntnis zum Reduktionsziel der Bundesregierung für den Flächenverbrauch auf 30 ha pro Tag bis 2030 vereinbart. Zur Umsetzung dieses Anliegens wurde die Einführung einer Richtgröße für den Flächenverbrauch (Siedlungs- und Verkehrsfläche) von 5 ha pro Tag im Bayerischen Landesplanungsgesetz vereinbart, die durch gemeinsam mit den Kommunen entwickelte Steuerungsinstrumente erreicht werden soll.
Diese Instrumente müssen von den Kommunen auch angewandt werden.
Kleine Stadtfläche
Bekanntermaßen hat Rosenheim eine sehr kleine Stadtfläche, nämlich die zweitkleinste aller kreisfreien Städte in Bayern.
Dies sollte in Rosenheim Anlass sein, mit den verbliebenen Grünflächen besonders sparsam umzugehen.
2.2 Flächen-Probleme in diesem Fall
Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen
Im wirksamen Flächennutzungsplan der Stadt Rosenheim von 1995 wird das Baugebiet als „Fläche für die Landwirtschaft“ dargestellt und bisher auch so genutzt. Das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) fordert unter Punkt 5.4.1 als Grundsatz: "Land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete sollen erhalten werden."
Im Gegensatz dazu werden hier wieder einmal landwirtschaftliche Nutzflächen aufgegeben.
Außenentwicklung statt Innenentwicklung
Das LEP fordert unter Punkt 3.2 als Ziel: "In den Siedlungsgebieten sind die vorhandenen Potenziale der Innenentwicklung möglichst vorrangig zu nutzen. Ausnahmen sind zulässig, wenn Potenziale der Innenentwicklung nicht zur Verfügung stehen."
In der Auslegungshilfe zur Flächensparoffensive vom Januar 2020 wird präzisiert, dass Ziel LEP 3.2 erfordert, "dass vor Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungszwecke im bauplanungsrechtlichen Außenbereich zunächst sämtliche Potentiale der Innenentwicklung genutzt wurden."
Doch obwohl solche Potentiale für Gewerbeflächen in Rosenheim noch längst nicht ausgeschöpft sind, z. B. am Bahnhof, soll hier vorher schon "auf der grünen Wiese" gebaut werden.
Ineffiziente Nutzung der Flächen
Weil der Untergrund im Bereich der Bauparzellen für eine Versickerung nicht geeignet ist, muss ein Regenrückhaltebecken südlich der Miesbacher Straße sowie eine zusätzliche Versickerungsfläche nördlich davon erstellt werden.
Dadurch tritt ein erheblicher zusätzlicher Flächenverbrauch auf.
3. Gefährdung wertvoller Natur
Die Kalten ist der einzige weitgehend unverbaute und unkanalisierte Alpenabfluss Südostbayerns. Das Landschaftspflegekonzept Bayern, herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege rechnet die Kalten zu den „Elite-Bachsystemen“ Bayerns mit hoher Erhaltungspriorität. Aus Sicht des Artenschutzes hat sie nicht nur überregionale, sondern sogar landesweite Bedeutung und weist viele seltene und gefährdete Arten auf.
In der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung wird deutlich darauf hingewiesen, dass eine weitere Bebauung der Kaltenaue und ihrer Umgebungsbereiche aus Sicht des Arten- und Gebietsschutzes grundsätzlich vermieden werden sollte, um eine weitere Degradation des FFH-Gebiets wie durch vorangegangene Bauprojekte zu vermeiden.
Die Auswirkungen der Bebauung z. B. durch Verlust von Lebensraum, Kollisionsrisiko, optische Störungen, Lärm und Erschütterungen bzw. die Unsicherheiten darüber mangels einer konkreten Planung kommen in der Begründung nur unzureichend zum Ausdruck.
Der Abstand zwischen Baugebiet und FFH-Gebiet ist insbesondere im südlichen Bauabschnitt leider viel kleiner als 200 m wie in der Begründung angegeben.
Eine Grundwasserspiegel-Absenkung oder eine Grundwasser-Verunreinigung, ob nun während der Bauphase oder danach, kann fatale Folgen insbesondere für das FFH-Gebiet haben; das wird leider nicht erwähnt.
4. Verkehrliche Probleme
Das Verkehrsgutachten betrachtet im wesentlichen nur die beiden Zufahrten; die im Bebauungsplan-Entwurf vorgesehene Variante V3 wurde entgegen den Angaben in der Begründung offenbar nicht untersucht.
Der Neuverkehr bedeutet aber eine entsprechende Mehrbelastung auch für die Äußere Münchener Straße und die Staatsstraße 2078. Gleiches gilt für die Miesbacher Straße östlich des Gewerbegebiets (z. B. Panorama-Kreuzung). Schon wenige Prozent mehr Kfz können den Verkehr auf diesen heute schon sehr stark befahrenen Straßen und Knoten gerade zu Stoßzeiten zum Erliegen bringen.
Im Übrigen müsste in der Prognose auch der Mehrverkehr durch die geplante massive Neubebauung in Oberwöhr zu berücksichtigt werden.
400 m Luftlinie bis zu einer Bushaltestelle sind nicht gerade einladend. Ein wirklich attraktiver Busverkehr hier und anderswo in Rosenheim wird sich ohne erhebliche Zuschüsse der Stadt nicht realisieren lassen.
5. Weitere Forderungen
Sollte das Projekt dennoch fortgeführt werden, sind aus unserer Sicht folgende Forderungen zu erfüllen:
- Für alle Dächer ist eine Sonnenenergie-Nutzung zwingend vorzuschreiben, auch um das Klimaschutz-Ziel der Stadt bis 2025 vielleicht doch noch zu erreichen.
- Die Gebäude müssen flächensparend sein, d. h. in der Regel mehrstöckig.
- Nicht nur alle Dächer, sondern auch die Fassaden sind zu begrünen.
- Der Rand zur freien Landschaft, die Erschließungsstraße und die Parkplätze sind mit einheimischen Bäumen zu bepflanzen.