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Wasserburg am Inn

Oktober 2024: Stellungnahme zur Marienberger Straße Nord

55. FNP-Änderung Teil 1 und BP 204 "Marienberger Straße Nord"

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Landesverbandes und der Kreisgruppe Rosenheim des BUND Naturschutz (BN) geben wir zu den Unterlagen folgende Stellungnahme ab:

1. Mängel im Verfahren

Es ist nicht klar, wieso die Planung für dieses wichtige Gebiet nicht im Rahmen des ISEK-Prozesses behandelt wird, der ja schon im Herbst 2023 begann. Dies schadet nicht nur der Planung, sondern verhindert auch einen möglichen Konsens mit weiten Teilen der Bürgerschaft und wertet den ISEK-Prozess ab.
Wir wundern uns, dass die Vorschläge der IG-Nord nicht beachtet, ja nicht einmal erwähnt werden.
Es gibt keinen Hinweis, dass gesetzliche Vorschriften wie die Bodenschutzklausel (zur Schonung von Grund und Boden) und die Umwidmungssperrklausel (wegen der Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen) berücksichtigt und entsprechende Abwägungen gemacht wurden.

2. Wegfall der Grünzäsur

Eine „städtebaulich vorteilhafte Entwicklung“ und eine „respektvolle Verbindung der Bebauung“ können wir nicht erkennen. Vielmehr drohen sehr wohl „die Ortsgrenzen zwischen den einzelnen Stadtteilen völlig zu verwischen“. Es wird genau das kommen, was man angeblich vermeiden will: Westerndorf St. Peter verschmilzt in einem Siedlungsbrei mit der Kernstadt Rosenheim!
Das im LEP Bayern 2023 unter 3.1.3 formulierte Ziel, „geeignete siedlungsnahe Freiflächen als Trenngrün festzulegen, um das Zusammenwachsen benachbarter Siedlungsbereiche und das Entstehen ungegliederter Siedlungsstrukturen zu verhindern“, wird somit verfehlt.

3. Keine Berücksichtigung des Klimawandels

Die Anzahl an Hitzetagen hat sich in unserer Region schon in den vergangenen 70 Jahren nahezu verdreifacht; dieser Trend dürfte sich verstärken. Im Rosenheimer Klimawandel-Anpassungskonzept, 2023 einstimmig vom Stadtrat verabschiedet, ist die jetzige Grünfläche als Ausgleichsraum von „sehr hoher Bedeutung“ mit Kaltluftfluss und Kaltluftleitbahn gekennzeichnet (siehe Abschlussdokument, Folie 33). An anderer Stelle heißt es, solche Flächen seien „unbedingt zu erhalten“, wenn sie an Bereiche mit erhöhter Wärmebelastung grenzen, was hier an der Technischen Hochschule der Fall ist (siehe Hauptteil, 2.1.6 Kaltluftbahnen).
Die Zahl der Starkregenereignisse ist in unserem Landkreis in den vergangenen 20 Jahren auf etwa das Doppelte gestiegen; das wird sich mit weiterer Klimaerwärmung fortsetzen. Solche Ereignisse überfordern die Kanalisation. Daher „ist es wichtig, Retentionsflächen zu sichern bzw. zu schaffen, die gleichzeitig als innerstädtische Grünräume zur Erholung genutzt werden und durch die Verdunstung von Wasser das Stadtklima verbessern können“, heißt es im Klimawandel-Anpassungskonzept (Hauptteil, 6.8 Städtebau und Bauleitplanung).
Allenfalls Maßnahmen wie Muldenversickerung, Regenwasserrückhalt, multifunktionale Flächen, Fassaden- und Dachbegrünung sowie die Pflanzung von Großbäumen, ähnlich wie im Klimawandel-Anpassungskonzept (Hauptteil, 7.2.2 Schwammstadt) beschrieben, könnten eine reduzierte Bebauung möglich machen.

4. Weitere ökologische Folgen

Auch folgende wichtige Funktionen der bestehenden Grünfläche fallen weg:

  • als Boden mit natürlicher Fruchtbarkeit, der organische Schadstoffe abbaut und Kohlenstoff bindet;
  • als Lebensraum, Rückzugs- und Austauschgebiet für Pflanzen und Tiere;
  • als Naturraum für die menschliche Erholung.

Wegen des hohen Flächenverbrauchs, bedingt auch durch die ungünstige Verkehrsführung von Norden her und die vielen Kfz-Parkplätze, entsteht ein hoher Bedarf an Ausgleichsflächen. Wie und wo soll dieser gedeckt werden?

5. Zusätzliche Verkehrsprobleme

Wegen der meist großen Entfernung zur Wohnbebauung werden die Wege in das Gebiet wohl kaum zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Die existierenden Radverkehrsanlagen an der Westerndorfer und Ebersberger Straße sind zudem nicht sicher. Eine bessere Bus-Anbindung ist anscheinend nicht geplant.
Auf jeden Fall wird zusätzlicher Kfz-Mehrverkehr mit entsprechendem Energiebedarf und Emission von CO2, Feinstaub, Abgasen und Lärm entstehen.
Auch Verkehrsstaus werden zunehmen. In erster Linie sind davon schon bisher sehr stark befahrene Straßen betroffen wie die Westerndorfer Straße, die Schlößlstraße und die Ebersberger Straße. Die Westtangente vergrößert das Problem bekanntlich noch.

6. Schädigung der Einzelhandelsstruktur

Projekte wie dieses dienen meist nicht wie behauptet der Nahversorgung. Vielmehr geht es darum, Kunden von weither anzulocken. Das schädigt die existierende Nahversorgung in den Wohngebieten Rosenheims genauso wie in benachbarten Gemeinden. Hier wie dort werden kleinere Geschäfte zur Aufgabe gezwungen.

Fazit

Wir können uns wieder einmal des Eindrucks nicht erwehren, dass bei dieser Planung die Interessen von Grundstücks-Eigentümern und Investoren Vorrang vor denen der Bürger haben.
Wir lehnen daher das Projekt in dieser Dimension und in dieser Lage aus den geschilderten Gründen strikt ab.

 

Links:

Klimawandelanpassungsstrategie und Klimawandelanpassungskonzept der Stadt Rosenheim
https://www.rosenheim.de/buergerservice/umwelt/klimawandelanpassungsstrategie

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