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Wasserburg am Inn

Stellungnahme zur Kampenwandseilbahn 2020

Rosenheim, 15.10.2020

Vollzug des Bayerischen Eisenbahn- und Seilbahngesetzes (BayESG);
Antrag auf Änderung der Bau- und Betriebsgenehmigung für die Errichtung einer neuen kuppelbaren 8er-Kabinenbahn anstelle der bisherigen Kampenwandseilbahn Aschau i. Chiemgau

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Beteiligung am o. g. Verfahren. Im Namen des BN-Landesverbands nehmen wir gemäß § 63 BNatSchG als anerkannter Naturschutzverband zu dem Vorhaben wie folgt Stellung:

Mit Bescheid vom 05.01.2017 hat das Landratsamt Rosenheim die von der „Kampenwandseilbahn GmbH“ der mit Antrag vom 12.05.2016 beantragte Bau- und Betriebsgenehmigung für den Neubau der kuppelbaren 8er-Kabinenbahn als Ersatz für die bisherige 4er-Kabinenbahn unter Auflagen und Nebenbestimmungen erteilt. Da sich Änderungen in der Planung ergeben haben, wurden die Unterlagen nochmals ausgelegt.

Der vorliegenden Planung kann der BN wegen der fehlenden Verantwortlichkeit für die Umsetzung des Besucherkonzepts, der mangelhaften speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) und der fehlenden Festschreibung der Ausgleichsmaßnahmen nicht zustimmen.

Eine endgültige Beurteilung der Planung ist nicht möglich, da im landschaftlichen Begleitplan immer noch die Festschreibung der Ausgleichsflächen fehlt.

Hierzu im Einzelnen:

Besucherlenkungskonzept

Grundsätzlich finden wir es gut, dass ein Besucherlenkungskonzept Bestandteil der Planungsunterlagen ist, da die Kapazitätssteigerung zum Ausweichen in bisher verschonte Bereiche führen kann und dies verhindert werden soll. Leider ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, wer für die Umsetzung verantwortlich ist und wann die Umsetzung erfolgt. Ohne der Festlegung von Zuständig- und Verantwortlichkeiten ist das Konzept wirkungslos.

Das Besucherlenkungskonzept legt den Schwerpunkt auf Natura 2000-Arten und einigen zusätzliche ausgewählte Arten, wobei die Maßnahmen zum Schutz der Raufußhühner, als eine der störungsempfindlichsten Arten, nicht ausreichend sind. Dies gilt im besonderem dem Birkhuhn mit Balzplätzen sowohl im Bereich der Bergstation als auch im Bereich der viel begangenen Steinlingalm. Es sind unbedingt räumlich und zeitlich definierte Ruhezonen einzurichten.

Wir sind der Meinung, dass auch der allgemeine Zustand von Naturräumen beachtet und geschützt werden muss. Das Konzept setzt auf „weiche“ Maßnahmen wie Infotafeln, Anleinpflicht von Hunden, verbesserte Wegemarkierungen, Verhaltenskodex für Selbstversorgerhütten, Pachthütten etc. Die geplanten Hinweistafeln zur Markierung von Wuchsgebieten des Frauenschuhs halten wir z. B. für eine ungeeignete Schutzmaßnahme. Es besteht die Gefahr, dass diese Hinweise zu illegalen Entnahmen und zum Pflücken missbraucht werden. Hinweistafeln an Wuchsorten sollten grundsätzlich vermieden werden.

Die Erfahrungen an den Corona-Wochenenden zeigten, dass ein Appell an Vernunft und diese „weichen“ Maßnahmen nicht ausreichend sind, um Fauna und Flora des Kampenwandgebiets ausreichend zu schützen. Damit die geplante Modernisierung realisiert werden kann, sind über die beschriebenen Maßnahmen hinaus „harte“ Schutzmaßnahmen notwendig wie:

  • zeitliche Begrenzung der Transportkapazität bergwärts bei großen Menschenmengen im Kampenwandgebiet. Laut Aussage des Betreibers ist das Kapazitätsproblem talwärts, wenn große Veranstaltungen beendet sind oder schlechtes Wetter aufzieht;
  • zum Erhalt des Frauenschuhbestandes sind während der Blütezeit zur Durchsetzung des Pflückverbots Personal (Ranger) einzusetzen;
  • zum Schutz der Raufußhühner sind zeitlich befristete oder bzw. dauerhafte Sperrungen nach § 9 Alpines Gelände oder Wildschutzgebiete nach dem Jagdgesetz notwendig;
  • Winter und Schneeschuhwandern - Weiße Wanne: Die weiße Wanne ist während der ganzen Vegetationszeit ist ein sehr ruhiges Gebiet. Wenn im Winter das Gebiet gezielt zum Winterwandern und Schneeschuhgehen genutzt wird, ist die Gefahr der Störung von Tieren auszuschließen. Eine Flucht von Tieren die in diesem normalerweise ruhigen Gebiet ihren Unterstand suchen – kann im Winter durch den Energieverbrauch existentiell sein. Das Schneeschuhwandern abseits der gewalzten Flächen ist zu verhindern;
  • die Maßnahme V 05, Vermeidung von Vogelschlag an den Panoramaglas-scheiben der Bergstation, halten wir für unzureichend, da sich Klebefolien, Greifvogelsilhouetten oder UV-Behandlungen langfristig als wirkungslos herausgestellt haben. Es sind übermäßig große durchsichtige oder spiegelnde Flächen aus Glas und Metall zu vermeiden bzw. so zu gestalten oder zu behandeln, dass diese von Vögeln wahrgenommen werden können und Spiegelungen unterbleiben;
  • verstärkte Polizeiaktionen gegen das „wilde“ Parken.

Weiterhin muss die Gemeinde Aschau /Sachrang verpflichtet werden:

  • keine Erweiterung der Parkkapazitäten in Aschau / Sachrang und bei den zahlreichen Wanderparkplätzen durchzuführen;
  • den Aus- und Neubau von Gastronomie im Kampenwandbereich sowie Eventeinrichtungen wie Vergnügungspark, Downhill-Strecken, spektakuläre Aussichtsplattformen, nicht zu genehmigen;
  • ein Verkehrskonzept zu entwickeln, um den ÖPNV zu fördern und so die Anreisen per Auto zu minimieren (z. B. Shuttlebus vom Bahnhof zur Talstation der Kampenwandbahn)
     

Da vom Mountainbiken eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeht, sollen die Hütten nicht mit E-Bike-Ladestationen ausgerüstet werden.

Landschaftspflegerischer Begleitplan

Die Überarbeitung des LBP ist absolut unzureichend. Alleine schon formell durch die handschriftlichen Ergänzungen. Aber vor allem auch durch den letzten Absatz zu „5.3.2 Berechnung der Aufwertung“, die keinen Schluss auf die Ausgleichsmaßnahmen ermöglicht und keine Festschreibung der Ausgleichsflächen enthält. So fehlt u. a. der Ausgleich für die Trassenverbreiterung für die Bahn und die Materialseilbahn.

Das Besucherlenkungskonzept bewirbt den Winterwanderweg „Weiße Wanne“. Andererseits wird die Beruhigung dieses Bereichs durch Abbau des Schlepplifts als Ausgleich gewertet. Diese Maßnahme kann nicht als vollwertiger Ausgleich gewertet werden.

Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)

Die saP hat unserer Meinung nach folgende formale Mängel, da die Erhebungsmethodik nicht den gängigen Methodenstandards entspricht (Albrecht et al. 2013: Leistungsbeschreibungen für faunistische Untersuchungen im Zusammenhang mit landschaftsplanerischen Fachbeiträgen und Artenschutzbeitrag):

  • 4 Begehungen sind für einen strukturreichen Lebensraum nicht ausreichend;
  • die faunistischen Daten sind veraltet, d. h. die Aufnahmen der Vögel und Fledermäuse im Jahr 2013 steht der „5-Jahres-Regel“ entgegen (z. B. Gassner, Winkelbrandt & Bernotat 2010: UVP und strategische Umweltprüfung: Rechtliche und fachliche Anleitung für die Umweltverträglichkeitsprüfung);
  • die Aktualisierung der faunistischen Daten erfolgte nur zum Birkhuhn im Bereich der obersten 10 % der Trasse, die restlichen 90 % der Trasse  wurden nicht erneut erfasst und/oder bewertet.

Sie ist deshalb neu zu erstellen.

Inhaltlich haben wir zur saP folgende Anmerkungen:

  • das Vorkommen des Auerhuhns an der Kampenwand ist gesichert (Plattform www.ornitho.de) und muss deshalb in saP und FFH-Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt werden;
  • es ist davon auszugehen, dass auch der Feuersalamander im Bereich der Kampenwandbahn vorkommt. Die saP-Maßnahmen für den Alpensalamander sollten deshalb auch auf den gefährdeten Feuersalamander ausgedehnt werden;
  • die Anzahl der Hubschrauberflüge im 2. Quartal 2021 sollte auf 5 Flüge reduziert werden, da eine Beeinträchtigung der Birkhühner nicht auszuschließen ist;
  • der Einfluss der „Tieferlegung“ des Seilverlaufs im oberen Trassenbereich wurde nicht als Wirkfaktor aufgenommen und bewertet. Es fehlt auch eine transparente Darstellung, wo die temporäre Verbreiterung für die Materialseilbahn und wo die dauerhafte Verbreiterung der Bahntrasse liegt;
  • für die Verbreiterung der Trasse für die Materialseilbahn wird eine Fläche von 2.200 m2 angegeben (saP Seite 19). Diese Flächenermittlung kann nicht nachvollzogen werden und ist klar zu stellen;
  • die geplante Beleuchtung der Stützen bis 1.00 Uhr nachts lehnen wir gemäß Art 11 a BayNatSchG als Eingriff in die Insektenfauna ab;
  • auch halten wir eine Beleuchtung in unmittelbarer Nähe von Biotopen für nicht genehmigungsfähig;
  • alle sicherheitsrelevanten Beleuchtungen sind insektenfreundlich zu gestalten mit warmweißen LEDs (Lichtfarbe 2.700-3.000 Kelvin), oder Natriumdampfniederdrucklampen;
  • alle nicht sicherheitsrelevanten Beleuchtungen sind insektenfreundlich zu gestalten (s. oben) und grundsätzlich ab 23 Uhr abzuschalten;
  • gerichtete Gebäude- und Wegbeleuchtung mit möglichst niedrigen Lichtmasten (dafür ggf. zusätzliche Lichtpunkte) mit „Full-Cut-Off-Leuchten“ (nachweislich keine Abstrahlung nach oben oder über die Horizontale, dichte Leuchtengehäuse ohne Fallenwirkung, Oberflächentemperatur nicht über 60°C) errichten,
    reine Fußwegbeleuchtung bodennah (max. 1 m über dem Boden) und ggf. mit Bewegungsmeldern ausführen;
  • die enorme Kapazitätssteigerung der Kampenwandbahn hat zur Folge, dass zahlreiche und unerfahrene Bergtouristen in das Kampenwandgebiet gebracht werden und sich dadurch die Anzahl an Bergrettungseinsätzen erhöhen werden. Dies wurde bei der Einschätzung ob ein Störungsverbot vorliegt nicht berücksichtigt. Aus unserer Sicht ergibt sich daraus allerdings ein Verbotstatbestand.

Wir bitten um nochmalige Beteiligung, wenn die Unterlagen vollständig sind. Wir behalten uns vor, zu einer anderen Beurteilung des Vorhabens zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen

Ursula Fees 
Geschäftsführerin

gez.
Peter Kasperczyk
1.Vorsitzender

BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Kreisgruppe Rosenheim