Schwammintelligenz – 50-Jahr-Feier der Kreisgruppe im Brennglas der Politik
Am 8. Juni 2021 jährte sich die Gründung der BUND Naturschutz-Kreisgruppe zum 50. Mal und durfte nun auch endlich gefeiert werden. Im Hotelgasthof Rohrdorf gab es neben der Freude über Erreichtes aber auch die Sorge „einer besonderen Zeit. Denn Positives droht wieder über Bord zu gehen“.
Der BN-Ehrenvorsitzende Prof. Dr. Hubert Weiger wies damit in seiner Festrede auf die Rückschritte im Denken politisch Verantwortlicher hin, wenn ausgerechnet die „ökologischen Zellen“ einer zukunftsfähigen Landwirtschaft nun wieder ganz konventionell unter den Pflug geraten sollen.
Vieles wurde in den letzten Jahrzehnten erreicht. Die vor 20 Jahren noch als „Theorie weniger Spinner“ belächelte Vision des Ökolandbaus ist – auch dank der Förderung durch den Bund Naturschutz – heute auf 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Praxis. Wie denn jetzt genau das Ziel der Staatsregierung, diese Fläche bis 2030 auf 30 Prozent zu verdoppeln, erreicht werden soll? – ein Rätsel zum Nachhaken. Denn wie die Energiewende, die dank massiver Lobbyarbeit bei der Windkraft bürokratisch ausgebremst und bei der Photovoltaik geradezu „abgewürgt“ wurde, so werden auch die Gewässer- und Artenschutzziele reine Sonntagsversprechen bleiben, solange die alltägliche Politik dem ungehinderten „Ausbau der Verkehrsströme“ dient und der Flächenverlust mit 11 Hektar täglich unvermindert voranschreitet…
„Ich möchte Politiker jetzt nicht als Schwammerl bezeichnen“, hatte der 1. Vorsitzende der Kreisgruppe, Rainer Auer gesagt, als er einen solchen, nämlich den bloßen Fruchtkörper des weitverzweigten Lebewesens Pilz hochhielt. Unsere herausgehobenen Repräsentanten bräuchten tatsächlich laufend Impulse aus intelligenten Netzwerken aktiver Bürgerinnen und Bürger. Für diese dankte er den etwa 110 anwesenden Mitgliedern, von denen fast alle seit Jahren aktiv für Natur und Heimat wirken und werken.
Zigtausende Stunden Ehrenamtsarbeit ließ Auer nicht in Statistiken, sondern in den Personen von Aktiven Revue passieren. Etwa Wolfgang Matschke: Er setzt sich mit Rat und Tat für unsere Wälder und Moore ein und arbeitet für die (Wieder-)Vernetzung von Biotopen, z. B. über alte und neue Hecken. Unermüdlich auch Amphibienretter wie Klaus Dehler oder Ursula Fees im immer wichtigeren Feld der Umweltbildung. Fachliche Stellungnahmen zu großen Planungsthemen und kritischen Umweltfragen und natürlich die laufende politische Arbeit liefern als „Stimme der Natur“ den politischen Entscheidern heute (meist) willkommene Fakten für die Abwägung widerstreitender Interessen und Ziele, so die stellvertretende Landrätin Andrea Burgmaier in ihrem Grußwort.
Das war nicht immer so selbstverständlich. Kröten retten und das Knabenkraut schützen, aber politisch bitte weniger einmischen, war noch bei der 25-Jahr-Feier Tenor eines „väterlichen Leviten-Lesens“ durch Landrat Max Gimple gewesen, der dem BN geraten hatte, sich „von Parteipolitik fernzuhalten“ und „nicht in naturschutzfremde Themen abzuschweifen.“ Ein auch heute mitunter noch heiß diskutiertes Thema.
Die parteipolitische Neutralität ist tatsächlich auch dem Landesbeauftragten Martin Geilhufe ein wichtiges Kriterium der öffentlichen Arbeit. Parteiunabhängig sei man gerade an diesem Samstag in München unter den Kritikern des G7-Gipfels gewesen. Der BN pocht darauf, dass Freihandelspolitik, etwa mit der Ratifizierung von CETA, keine Rolle rückwärts in der Agrogentechnik- oder Energiepolitik bedeuten dürfe. „Fossile Energiequellen sind Wurzeln kriegerischer Handlungen und Menschenrechtsverletzungen.“
Basisdemokratisch waren der BN und hier vor allem die Region Rosenheim Motor der Agrogentechnik-freien Landkreise und beim Volksbegehren „Artenvielfalt/Bienen“ gewesen. Die Klage des BN gegen die Erweiterung des Landschaftsschutzgebiets Inntal-Süd hat es bis vor den Europäischen Gerichtshof geschafft. Überregionale politische Großkonflikte lassen keine Atempause. Denn „die fehlgeleitete Verkehrspolitik“, z. B. bei A8 und Brenner-Nordzulauf, fokussiere sich laut Geilhufe hier in Rosenheim „wie in einem Brennglas“.
Musikkabarett vom Feinsten durch die vier „Neurosenheimer“ rundete den Abend stilvoll ab. Auch mit der Frage, „ja braucht’s denn des?“ – „Na, des braucht‘s ned “, schallte es aus dem Festsaal zurück - z. B. noch mehr Trassen und noch mehr Verkehr durchs südbayrische Inntal.
Text: Theo Schneider, Fotos: Theo Schneider, Michael Schekatz
Links:
OVB (Zugang erforderlich): "Das sind die Wünsche der Kreisgruppe Rosenheim des BUND Naturschutz zum 50. Geburtstag"
https://www.ovb-online.de/rosenheim/landkreis/das-sind-die-wuensche-der-kreisgruppe-rosenheim-des-bund-naturschutzes-zum-50-geburtstag-91631684.html
Die Brennessel 2022:
https://rosenheim.bund-naturschutz.de/aeltere-berichte/2022