Wird diesmal mehr geschehen?
Leserbrief im April 2012 zum OVB-Artikel "Immer weniger radeln":
Nach dieser ernüchternden Untersuchung steht fest: Einiges muss sich ändern. Einmal in den Köpfen der Leute, die selbst für kurze Entfernungen zwei Tonnen Blech zur Fortbewegung brauchen, groteskerweise sogar zum Sportplatz oder ins Fitness-Studio. Und die es für ihre erste Pflicht halten, auch den eigenen Kindern Bewegung und soziale Kontakte auf dem wenige hundert Meter langen Weg zur Schule zu verwehren. Ganz zu schweigen von der oft fehlenden Rücksicht auf schwächere Verkehrsteilnehmer.
Ändern muss sich aber auch die Rosenheimer Verkehrspolitik. In den letzten Jahren wurde Parkhaus um Parkhaus gebaut und trotzdem kaum ein Parkplatz an der Straße aufgegeben. Die Alternativen zum Auto sind dagegen nicht sonderlich attraktiv: Für das Fahrrad hat sich zwar z. B. durch Hochwasserfreilegung und Landesgartenschau einiges verbessert. Es fehlt aber nach wie vor an einem durchgängigen Konzept, das schon aus Sicherheits- und Platzgründen auf Temporeduzierung und Miteinander der Verkehrsarten setzen muss. Schlecht sind Schiebestrecken wie die neue Bahnhofsunterführung, wo sogar Tragen angesagt ist, wenn wieder mal ein Aufzug streikt; die Fußgängerzone darf man nicht einmal nachts befahren. Auch zugeparkte, verschmutzte oder nicht geräumte Radwege tragen ebenso wie mangelhafte Querungs- und Abstellmöglichkeiten dazu bei, dass das hohe Potential des Radverkehrs nicht ansatzweise genutzt werden kann. Ähnlich schlimm sieht es beim Busverkehr aus, der nur auf einen Verkehrsanteil von fünf Prozent kommt, wenn man die Pendler nach München weg rechnet. Wie soll der Betreiber aber einen dichten Takt, lange Betriebszeiten und klare, direkte Routen zu günstigen Preisen anbieten, wenn er ohne vernünftige Zuschüsse wie in anderen Städten üblich auskommen muss? Auch die Verbindung per Bus und Bahn ins Umland ist oft miserabel, was eine eigene Untersuchung wert wäre.
Ändern muss sich schließlich die Siedlungspolitik. Wer neue große Einkaufsmärkte baut wie demnächst an der Westerndorfer Straße, der zerstört nicht nur die letzten Grünflächen zwischen den Ortsteilen. Er zwingt auch fußläufig erreichbare Läden zur Aufgabe und deren Kunden ins Auto. Schade, wenn sich Stadträte von der Bezeichnung „Nahversorgungszentrum“ blenden lassen!
Viele der genannten Probleme hätte man schon nach den letzten Vorträgen von Socialdata und Ingevost vor zehn Jahren im Stadtrat vermeiden können. Geht es nun trotz verstopfter Straßen, überschrittener Feinstaub-Grenzwerte und Klimaproblematik so weiter wie bisher oder wird diesmal mehr geschehen?