Juli 2014: Stellungnahme zum Bahnhofsgelände Nord
38. Änderung des Flächennutzungsplanes "Bahnhofsgelände Nord" sowie zur 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 149 "Bahngelände Nord"
Im Namen des Landesverbandes und der Kreisgruppe Rosenheim des Bundes Naturschutz (BN) geben wir zu den Unterlagen folgende Stellungnahme ab:
1. Grundsätzliches
Unsere Stellungnahme vom Januar 2013 halten wir im Wesentlichen aufrecht. Einzelne Punkte möchten wir wie folgt ergänzen und unterstreichen:
2. Grün- und Freiflächen
2.1. Grünflächen am Südtiroler Platz
Mit verschiedenen Maßnahmen zur Förderung des motorisierten Individualverkehrs (siehe unten) hat sich die Stadt noch wesentlich weiter als bisher von den vielfach formulierten Zielen einer einladenden Gestaltung und einer hohen Aufenthaltsqualität entfernt. Auch der Sieger-Entwurf des Architektenwettbewerbs – der einen weitgehend autofreien Vorplatz vorsah – wird damit völlig missachtet.
Wir sind ferner sehr erstaunt darüber, dass offenbar
- die Stadt erst nach Aufforderung der Regierung von Oberbayern der Verpflichtung zu einer saP für die Bäume am Südtiroler Platz nachkam, obwohl diese laut Biotopkartierung der Stadt eine sehr hohe Bedeutung haben;
- diese saP nur an einem einzigen Tag im August stattfand, obwohl hier in Bezug auf Brutvögel und Fledermäuse mindestens eine zweite Untersuchung im Frühjahr notwendig gewesen wäre;
- keine Begehungen mit Fledermausdetektoren auf den Grünflächen vor dem Bahnhofsempfangsgebäude stattfanden.
Die Aussage im Umweltbericht zum Schutzgut Ortsbild, dass sich die Neugestaltung der Fläche ausschließlich positiv auswirken werde, können wir angesichts der geplanten Fällung von etwa 40 Bäumen, der weitgehenden Vernichtung der Grünflächen am Südtiroler Platz und der starken Zunahme des Autoverkehrs in keiner Weise nachvollziehen.
Erst aufgrund der Unterschriftensammlung des BN mit über 5.400 Unterschriften für den Erhalt der Bäume fand wenigstens eine genauere Untersuchung der Bäume in Form eines Gutachtens statt. Das Ergebnis mit nur sechs erhaltungswürdigen Bäumen fällt aber viel zu gering aus. Dies gilt umso mehr, als durch den geplanten Bunker-Abriss zwei davon gefällt werden müssen. Drei andere sind durch diesen Abriss und die geplante Taxi-Schleife gefährdet.
Das Gutachten im Auftrag der Stadt hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Ein vom BN eingeschalteter Gutachter untersuchte 5 stadtbildprägende Bäume genauer. Alle überprüften Bäume sind danach erhaltungswürdig und können noch Jahrzehnte stehen bleiben. Das gilt nach Einschätzung des Gutachters auch für einen Großteil der restlichen Bäume. Ferner stellt er fest, dass bei Bauarbeiten an der Luitpoldstraße allgemein anerkannte Schutzmaßnahmen für Baumwurzeln unterblieben sind; auch im nachhinein wurden Wurzel- und Astbeschädigungen nicht ordnungsgemäß versorgt.
Der BN fordert daher wie bisher, die bestehenden Grünflächen mit dem gesunden Baumbestand und dem Bunkerhügel zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Das Minimalziel ist der Erhalt der gesunden Bäume.
Zusätzlich fordern wir:
- die Nachholung der unterbliebenen naturschutzfachlichen Untersuchungen zur saP und die Berücksichtigung der Konsequenzen daraus;
- einen vorausschauenden und schonenden Umgang mit Bäumen bei Baumaßnahmen gemäß den Regelwerken; siehe z. B. DIN 18920 und RAS - LG 4.
Der Bunker sollte zu einem Mahnmal gegen Diktatur und Krieg aufgewertet werden, das zu bestimmten Gelegenheiten wie Stadtführungen begehbar ist. Der Hügel darüber kann z. B. als Freifläche für Gastronomie genutzt werden. Der angebliche Konflikt mit Gehweg und Bushaltestellenüberdachung lässt sich durch eine steilere Böschung leicht lösen.
2.2. Weitere Flächen
Wir sind sehr erstaunt darüber, dass im Februar 2013 im Zuge der Baufeldräumung westlich des Bahnhofs große Teile des vorhandenen Baumbestandes gefällt wurden, darunter auch wertvolle biotopkartierte Einzelbäume wie eine sehr seltene vitale Ulme und eine Silberweide. Gremien wie Naturschutzbeirat oder Umweltausschuss wurden dazu nicht gehört.
In Bezug auf die Fällung dieser teilweise stadtbildprägenden Bäume können wir auch hier der Aussage im Umweltbericht zum Schutzgut Ortsbild nicht folgen, dass sich die Neugestaltung der Flächen ausschließlich positiv auswirken werde. Noch im Umweltbericht 2007 heißt es dazu: „Die Entfernung des vorhandenen Baumbestandes wirkt sich negativ auf das Ortsbild aus.“ Dabei ging man sogar noch von einer Erhaltung von Bäumen wie Ulme und die Silberweide aus!
2.3. Neupflanzungen
Bei allen Neupflanzungen ist zusätzlich besondere Umsicht bei der Auswahl der Gehölze und bei der Anpflanzung selbst zu fordern, um Misserfolge wie z. B. bei der Landesgartenschau oder beim Bauabschnitt 90 zur Hochwasserfreilegung zu vermeiden.
3. Bebauung
Wir haben generell den Eindruck, dass die Stadt bei der Nutzung des Geländes westlich der Bahn zu wenig als Gestalter und zu sehr als Investor auftritt.
3.1. Frischluftschneise
Trotz der Ausführungen im Umweltbericht fürchten wir nach wie vor, dass durch die dichte und hohe Bebauung die Wirkung der Kaltluftschneise eingeschränkt wird.
3.2. Nutzung
Erstaunlich moderat ist die Einstufung der Auswirkungen auf das Schutzgut Boden im Umweltbericht. Die großräumige Versiegelung mit dem Verlust der natürlichen Bodenfunktionen wird nicht ausreichend berücksichtigt. Der Umweltbericht von 2007 schätzt die Auswirkungen weitaus gravierender ein, und dies bei der damals geplanten deutlich geringeren Bebauung!
Durch eine rasche Bebauung werden Gestaltungsspielräume für die Zukunft verbaut. Freiflächen, die teilweise eine überraschend hohe ökologische Bedeutung haben, gehen zu früh verloren.
Aufgrund der Verkehrs- und Luftschadstoffprognose (siehe unten) ist bereits heute absehbar, dass z. B. in der Äußeren Münchener Straße unerträgliche und gesetzwidrige Belastungen auf die Menschen zukommen. Auch der Lärm steigt deutlich an. Verkehrsknotenpunkte wie Brückenberg und Kufsteiner/Gießereistraße sind der Belastung nicht gewachsen, ohne dass darauf hingewiesen wird.
Wir fordern daher eine verlangsamte und reduzierte Bebauung sowie Nutzungsarten, die weniger Verkehr erzeugen.
3.3. Energiekonzept
Die Nutzung erneuerbarer Energien gemäß ENEV halten wir gerade an diesem Standort mit hervorragenden Bedingungen für die Sonnenenergie nicht für ausreichend.
Wir fordern daher eine vorbildhafte Nutzung von Photovoltaik und Solarthermie. Durch weitergehende Vorgaben könnte sogar ein Plusenergie-Konzept für Gewerbebauten realisiert werden.
4. Verkehr
4.1. Überführung für Fußgänger und Radfahrer
Wir verweisen hier auf unsere Stellungnahmen von 2007, 2010 und 2013. Anscheinend sinkt bereits jetzt die Zuverlässigkeit der Aufzüge an der Bahnhofs-Unterführung, und dies dürfte sich weiter verstärken. Umso wichtiger ist daher die baldige Realisierung einer nicht nur barrierefreien, sondern durchgehend gut befahrbaren Überführung.
4.2. Fahrrad-Abstellanlagen
Nach unseren Informationen sollen erst 2017 geeignete Abstellanlagen gebaut werden. Dies ist angesichts der dramatischen Unterversorgung mit nur 600 Stellplätzen nicht akzeptabel. Wir fordern daher eine deutlich frühere Realisierung mit einer Gesamtzahl von mindestens 2.000 Stellplätzen.
Die jetzige Situation führt auch dazu, dass Fahrräder „wild“ abgestellt werden. Sie bieten –
zusammen mit den jahrelang nicht beseitigten schrottreifen Exemplaren – nicht nur einen trostlosen Anblick, sondern schädigen vor allem auch die Bäume. Erstaunlich finden wir auch die Tatsache, dass z. B. 2014 auf der Bahnhofs-Südseite Fahrräder entfernt wurden, auf der Nordseite aber nicht.
4.3. Mit dem Auto befahrbare Zonen
Die im östlichen Teil des Vorplatzes näher am Bahnhof gelegene Kurzparkzone soll nun deutlich zur Platzmitte hin vergrößert werden; im westlichen Teil soll eine Taxischleife gebaut werden. Der autofreie Bereich verkleinert sich somit gegenüber früheren Planungen drastisch. Die gegenüber dem jetzigen Status stark erhöhte Gesamtzahl von Kurzzeitparkplätzen wurde nochmals bis zur Übererfüllung der Anforderungen aus dem Wettbewerb gesteigert. Die ungünstige, den Parksuchverkehr fördernde Situation mit zwei Kurzzeit-Parkzonen dürfte sich mit der Vergrößerung der näher am Bahnhof gelegenen Zone weiter verschlechtern.
Der Auto-Mehrverkehr auf dem Vorplatz gefährdet Sicherheit und Lebensqualität aller anderen Verkehrsteilnehmer. Durch die Änderungen wird der motorisierte Individualverkehr gegenüber anderen Verkehrsarten einseitig bevorzugt. Dies widerspricht auch den Zielen des Integrierten Energie-, Klima- und Umweltschutzkonzepts sowie aller Voraussicht nach den Zielen des in Arbeit befindlichen Verkehrsentwicklungsplans.
Wir fordern daher:
- die Reduzierung der normalen Kurzzeitparkplätze, z. B. durch stärkere Verlagerung des Hol- und Bringverkehrs auf die Bahnhof-Südseite und vor allem durch eine bessere Förderung umweltfreundlicher Verkehrsarten, u.a. durch neue Bahn-Haltepunkte;
- die Konzentration der normalen Kurzzeitparkplätze auf einen einzigen Bereich;
- die Wiedervergrößerung der autofreien Zone, z.B. durch Zusammenfassung von Taxistandplätzen und .Kurzzeitparkplätzen für Behinderte.
4.4. Gutachten für Verkehr, Lärm und Luftschadstoffe
Die Verkehrsprognose zeigt einen gravierenden Anstieg des Kfz-Verkehrs durch die geplanten neuen Nutzungen auf. Dies führt z. B. auf der bereits heute überlasteten Äußeren Münchener Straße samt Brückenberg zu einer Mehrbelastung von 3.800 Kfz/Tag. Problematisch ist auch die Mehrbelastung der Kreuzung Gießereistraße/Kufsteiner Straße. Selbst die Fertigstellung der Westtangente könnte diesen Anstieg nur etwa zur Hälfte kompensieren.
Die schalltechnische Untersuchung zeigt auf, dass wegen des Lärmanstiegs Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Häusern in der Wittelsbacher Straße, der Münchener Straße und Luitpoldstraße erforderlich sind.
Die Luftschadstoffprognose verwendet leider nur Schätzwerte für die aktuellen Belastungen. Bereits auf der weniger belasteten (Inneren) Münchener Straße ist laut Prognose mit einer Überschreitung der PM-10-Kurzzeitgrenzwerte zu rechnen. Wie sieht es dann erst an der Äußeren Münchener Straße aus, wo ja auch Leute wohnen und arbeiten?
Der zumindest übergangsweise Zustand mit Fertigstellung nur des Südteils der Westtangente ist in keinem der Gutachten berücksichtigt. Dabei wird insbesondere die Äußere Münchener Straße und der Brückenberg noch weitaus mehr Verkehr aufnehmen müssen, aber auch z. B. die (Innere) Münchener Straße.
Wir fordern daher:
- Messungen statt Schätzungen für die aktuellen Belastungen,
- die Behandlung zusätzlicher Fälle;
- die Berücksichtigung weiterer Gebiete, die durch den Mehrverkehr belastet werden.