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Wasserburg am Inn

Juni 2016: Wie sieht der Verkehr in Rosenheim 2025 aus?

Der Verkehrsalltag in Rosenheim ist durch die Dominanz des Autos geprägt - und damit durch Unfälle, Dauerstau, Lärm und Abgase, von Energie- und Flächenbedarf ganz zu schweigen. Kann der Verkehrsentwicklungsplan (VEP) daran etwas ändern?

Auch die Statistik bestätigt: Der motorisierte Individualverkehr hat mittlerweile 54% Anteil am Verkehr. Der Radverkehr ist entgegen dem Trend in vielen anderen Städten von einst 27% auf magere 18% zurückgegangen, hauptsächlich weil sich viele zu Recht Sorgen über ihre Sicherheit oder die ihrer Kinder machen. Der Stadtbus muss ohne Zuschüsse der Stadt auskommen; damit erreicht der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nur noch marginale 6%. Die tatsächlichen Verhältnisse auf den Rosenheimer Straßen sind freilich noch weit ungünstiger: Würde man alle Verkehrsteilnehmer und nicht nur die Rosenheimer Bürger befragen, käme der motorisierte Individualverkehr sogar auf 75% Anteil!

Der Verkehrsentwicklungsplan, erarbeitet von dem Aachener Verkehrsexperten Dr. Reinhold Baier im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts Rosenheim 2025, machte die Probleme des Verkehrs in Rosenheim deutlich und stellte Lösungsmöglichkeiten vor. Insbesondere die damit verbundenen Einschränkungen für den Autoverkehr erschienen maßgeblichen Kräften in der Stadt zu groß. Der VEP musste mehrfach umgeschrieben werden und wurde erst spät veröffentlicht. Mit dem Plan will die Stadt laut eigenem Bekunden folgende Ziele erreichen:      

  • Stärkung der Nahmobilität für Fußgänger und Radfahrer
  • Stärkung von Bus & Bahn
  • Autoverkehr stadtverträglich abwickeln
  • Parkraum stadtverträglich managen
  • Mobilität umweltverträglich gestalten

Kann das mit den Maßnahmen, die im aktuellen VEP vorgesehen sind, tatsächlich gelingen?

Fußgänger- und Fahrradverkehr

Die Förderung dieser Verkehrsarten ist dem VEP-Verfasser besonders wichtig. Eine immer älter werdende Gesellschaft ist auf ein dichtes Netz von sicheren, komfortablen und barrierefreien Gehwegen angewiesen. Hier zeigt der VEP großen Handlungsbedarf auf. Beim Fahrradverkehr sieht Dr. Baier das größte Potential zur Steigerung des Anteils umweltfreundlicher Verkehrsarten und auch das beste Nutzen/Kosten-Verhältnis.

Die im VEP vorgeschlagene Führung des Radverkehrs auf der Straße ist grundsätzlich sehr sinnvoll. Sie macht das Radfahren nachweislich sicherer, einerseits durch bessere Sichtbarkeit der Radfahrer und andererseits durch weniger "Geisterfahrer", die auf baulichen Radwegen leider oft zu beobachten sind. Die Reinigung im Sommer und die Räumung im Winter ist auf der Straße eher gewährleistet. An vielen Stellen ergibt sich mehr Platz und mehr Sicherheit für die Fußgänger.

Allerdings sind die propagierten Schutzstreifen (auch Angebotsstreifen genannt) nicht immer die ideale Lösung: In der engen Innenstadt ist statt einer baulichen Umgestaltung mit Eingriffen in den bestehenden Baumbestand (wie an der Rathausstraße geplant) die Kombination von Mischverkehr auf der Fahrbahn mit einem Tempolimit von 30 km/h vorzuziehen. Einseitige, alternierende und vor allem zu schmale Schutzstreifen sollten vermieden werden, entweder durch Verzicht auf straßenbegleitende Parkplätze oder durch Mischverkehr mit Tempolimit.

Nicht nur für Fußgänger, sondern auch für Radfahrer sind die vorgeschlagenen besseren Querungsmöglichkeiten ohne lange Wartezeiten an Bedarfsampeln wichtig. Mit Recht wird die Installation guter Fahrrad-Abstellanlagen mit ausreichender Kapazität gefordert. Viel notwendiger als für Bike & Ride-Anlagen an Bushaltestellen wären diese allerdings am Bahnhof!

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Busbenutzer in Rosenheim haben es nicht leicht, ihr Ziel schnell und rechtzeitig zu erreichen. Die Taktperiode kann bis zu 60 Minuten lang sein; zudem sind die Busse häufig unpünktlich, weil sie im Stau stehen oder der Busfahrer Tickets verkaufen muss. Durchschnittlich werden meist Geschwindigkeiten von weniger als 15 km/h, in bestimmten Bereichen sogar nur 5 km/h erreicht. Die Linienführung schließt unfreiwillige Rundfahrten und Pausen ein, abends und samstagnachmittags wird sie im "Nachtverkehr" nochmals ungünstiger. Für viele Verbindungen muss man in der Stadtmitte umsteigen, mit der Gefahr, den Anschluss zu verpassen. Unter der Woche endet der "Nachtverkehr" teilweise schon um 21 Uhr, sonntags gibt es gar keinen Betrieb.

Ein Stadt-Umland-Verkehrsverbund mit abgestimmten Fahrplänen, gesicherten Anschlüssen und einheitlichem Fahrpreissystem existiert nicht. Die Stadt hat sich bisher kaum für neue Bahnhaltepunkte in Landkreisgemeinden (z. B. Stephanskirchen) stark gemacht, obwohl dies auch in ihrem Interesse liegen müsste.

Der VEP spricht einige dieser Probleme an; die versprochene Stärkung von Bus und Bahn, die ja einiges kosten würde, hat er leider nicht im Fokus. Aber mehr umweltfreundliche Mobilität sollte es nicht nur mit dem Fahrrad geben!

Autoverkehr und Parkraum-Management

Viele Millionen wird der Ausbau der Kufsteiner Straße kosten. Hier könnte man durch die von Dr. Baier vorgeschlagene Alternative mit schmaleren Fahrspuren und Schutzstreifen sehr viel Geld sparen und Enteignungen vermeiden. Diese Möglichkeit wäre auch für Fußgänger und Radfahrer besser und sicherer als die "fertige" Lösung, die zu schmale Wege für die schwächeren Verkehrsteilnehmer vorsieht. Zukunftweisender wäre freilich ein nur zweistreifiger Ausbau mit zusätzlichen Abbiegespuren, kombiniert mit breiten Radfahrstreifen.

In Rosenheim wurden zwar viele Parkhäuser gebaut, aber dennoch kaum straßenbegleitende Parkplätze aufgegeben. Der VEP meint zu Recht: Am Ludwigsplatz würde durch den Verzicht auf die Längsparkplätze nicht nur das Überqueren der Fahrbahn für Fußgänger sicherer gemacht, sondern auch manch kritische Situation beim Ein- und Ausparken vermieden.

Der VEP stellt Überlegungen zur Parkraumbewirtschaftung der Loretowiese an. Dem ist zuzustimmen: Kostenlose Parkplätze sind generell ein völlig falscher Anreiz, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren, und schaden eindeutig dem ÖPNV.

Was nicht im Verkehrsentwicklungsplan steht:
Sinnvoller als die Verlagerung von Autoverkehr auf umweltfreundlichere Verkehrsarten wäre oft die Verkehrsvermeidung - so zum Beispiel bei dem höchst überflüssigen "Nahversorgungszentrum" (NVZ) im Rosenheimer Norden. Dieses würde zusätzlichen Verkehr in einer Größenordnung von 5.000 Kfz pro Tag verursachen, von der Gefährdung der existierenden Nahversorgung und der Zerstörung von Grünflächen ganz abgesehen!

Externe Links zum Thema:

Homepage der Stadt Rosenheim zum Stadtentwicklungskonzept Rosenheim 2025

Dokumentation der Bürgerbeteiligung zum Verkehrsentwicklungsplan (September 2016)

Bericht von Dr. Baier zum Verkehrsentwicklungsplan (Mai 2015)

Experten-Hearing zu Stadtplanung, Verkehr, Energie und Umwelt (Mai 2012)

Weitere BN-Veröffentlichungen zum Thema:

Artikel der BN-Ortsgruppe Rosenheim zum ADFC-Fahrradklimatest 2014 (Februar 2015)

Leserbrief der BN-Ortsgruppe Rosenheim zur Verkehrssituation (April 2012)

 

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