September 2025: Stellungnahme zum Hanserfeld
58. Änderung des Flächennutzungsplans „Gewerbegebiet Hanserfeld Teil 1“ und des Bebauungsplans Nr. 210 „Gewerbegebiet Hanserfeld – Südwest"
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Landesverbandes und der Kreisgruppe Rosenheim des BUND Naturschutz (BN) geben wir zu den Unterlagen folgende Stellungnahme ab:
1. Neuer Flächenverbrauch
Obwohl Rosenheim die zweitkleinste Stadtfläche der kreisfreien bayerischen Städte hat, sollen wieder einmal Flächen für ein neues Gewerbegebiet in Anspruch genommen werden. Die Bebauung der 2,2 ha-Fläche dürfte dabei nur der erste Schritt zur Inanspruchnahme von insgesamt 8,5 ha sein.
Das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), Stand Juni 2023, gibt unter „3.2 Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ jedoch das verbindliche Ziel vor: „In den Siedlungsgebieten sind die vorhandenen Potenziale der Innenentwicklung vorrangig zu nutzen. Ausnahmen sind zulässig, wenn Potenziale der Innenentwicklung begründet nicht zur Verfügung stehen.“ Eine solide Abwägung fehlt aber in den Unterlagen.
Wir sehen eindeutig noch Bebauungsmöglichkeiten in bestehenden oder in Entwicklung befindlichen Gewerbegebieten, beispielsweise im Aichergelände, im Bahnhofsgelände Süd oder in Brucklach. Diese Potenziale sollten genutzt werden, bevor man neue Flächen in Beschlag nimmt!
2. Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen
Wieder einmal sollen landwirtschaftliche Nutzflächen verloren gehen.
Im LEP 2023 steht aber unter „5.4.1 Erhalt land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen“ als Grundsatz: „Land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete sollen in ihrer Flächensubstanz erhalten werden. Insbesondere für die Landwirtschaft besonders geeignete Flächen sollen nur in dem unbedingt notwendigen Umfang für andere Nutzungen in Anspruch genommen werden.“ Auch hier fehlt eine solide Abwägung.
3. Weitere Verluste durch die Bebauung
Auch folgende wichtige ökologische Funktionen der zu bebauenden Flächen fallen bei Umsetzung des Vorhabens weg:
- als Boden, der organische Schadstoffe abbaut und Kohlenstoff bindet;
- als Lebensraum, Rückzugs- und Austauschgebiet für Pflanzen und Tiere, beispielsweise Insekten und Vögel;
- als Naturraum für die menschliche Erholung, der gerade hier am Stadtrand von besonderer Bedeutung ist.
4. Probleme durch Starkregen, Grundwasser, Hochwasser und Hitze
Die Zahl der Starkregenereignisse ist in unserem Landkreis in den vergangenen 20 Jahren etwa doppelt so hoch geworden und wird voraussichtlich weiter steigen. Zudem befinden sich im Baugebiet wassersensible Bereiche mit hohen Grundwasserständen, sowie am Rande des Gebiets Flächen, die bei HQ100-Ereignissen überströmt werden. Daher wären im geplanten Bebauungsgebiet sowie auf den umliegenden Grundstücken bis zu einer Entfernung von 250 m von der Bebauungsgrenze folgende Untersuchungen nötig:
- Messung und Kartierung der Grundwasserstände (jahreszeitenbedingt), sowie die Erstellung eines Grundwasserströmungsmodells;
- Hydrotechnische Berechnungen zur Versickerung und Ableitung von Oberflächenwasser auf Basis softwaregestützter Retentionsraum-Berechnungen.
Die Anzahl der Hitzetage hat sich in unserer Region in den vergangenen 70 Jahren bereits nahezu verdreifacht, und dieser Trend dürfte sich weiter verstärken. Im Rosenheimer Klimawandel-Anpassungskonzept ist die jetzige Grünfläche mit „hoher nächtlicher Abkühlung“ bzw. „mittlerer nächtlicher Abkühlung“ dargestellt (siehe Hauptteil, 2.1.5 Wärmebereiche). Sie trägt somit erheblich zu einem guten Mikroklima für die Umgebung bei.
Bei einer Bebauung wären zwingend Maßnahmen wie Muldenversickerung, Regenwasserrückhalt, multifunktionale Flächen, Fassaden- und Dachbegrünung sowie die Pflanzung von Großbäumen anzuwenden, ähnlich wie im Kapitel „Schwammstadt” des Rosenheimer Klimawandel-Anpassungskonzepts beschrieben.
Gemäß diesem Konzept sind Neuversiegelungen wegen Wasserabfluss, Überhitzung, Versickerung etc. generell so gering wie möglich zu halten; der hier geplante hohe Versiegelungsgrad (max. GRZ 0,8) ist somit abzulehnen – siehe „Checkliste für Planer, 3 Städtebaulicher Entwurf“.
5. Verkehrsprobleme
Die schmale Möslstraße ist bereits heute stark befahren – nicht nur von Anwohnern und deren Besuchern, sondern auch von Personen, die u. a. den Bauhof, den Bauernverband, Aldi, das Driver Center oder das Jobcenter des Landkreises ansteuern. Durch parkende Fahrzeuge der Jobcenter-Besucher verringert sich die effektive Durchfahrtsbreite auf etwa 4,5 Meter. Zudem sind die Schleppkurven in diesem Bereich für den Begegnungsverkehr von Lkw/Lkw sowie Lkw/Pkw nicht ausreichend und lassen sich auch baulich nicht verbessern. Schon die derzeitige unübersichtliche Verkehrssituation birgt somit ein hohes Risiko.
Der durch das Gewerbegebiet entstehende Mehrverkehr wird die Situation weiter verschlechtern, insbesondere auch in der bereits jetzt überlasteten Westerndorfer Straße. Die Westtangente kann hier keine Abhilfe schaffen, sondern vergrößert das Problem bekanntlich noch.
6. Bodendenkmäler
Im 8,5 ha-Bereich und auch in wenigen 100 m Entfernung davon gibt es laut dem Bayerischen Denkmal-Atlas Bodendenkmäler in Form von vermuteten oder entdeckten Siedlungen aus der römischen Kaiserzeit. Daher ist eine frühzeitige genaue Untersuchung des gesamten 8,5 ha-Bereichs z. B. durch geophysikalische Prospektion zu fordern.
7. ISEK bleibt links liegen
Es ist uns unverständlich, wieso die Planung nicht im Rahmen des ISEK-Prozesses behandelt wurde, der ja schon im Herbst 2023 begann. Dies schadet nicht nur der Planung, sondern verhindert auch einen möglichen Konsens mit weiten Teilen der Bürgerschaft und wertet den ISEK-Prozess ab.
Fazit
Wir lehnen das Projekt aus den geschilderten Gründen ab.
Links:
Klimawandelanpassungsstrategie und Klimawandelanpassungskonzept der Stadt Rosenheim
https://www.rosenheim.de/buergerservice/umwelt/klimawandelanpassungsstrategie