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Wasserburg am Inn

September 2015: Stellungnahme zum Bahnhofsgelände Nord

Änderung des Bebauungsplanes Nr. 149 "Bahngelände Nord"
1. Änderung und Ergänzung

Im Namen des Landesverbandes und der Kreisgruppe Rosenheim des Bundes Naturschutz (BN) geben wir zu den Unterlagen folgende Stellungnahme ab:

1.    Grundsätzliches

Unsere Stellungnahme vom Juli 2014 halten wir im Wesentlichen aufrecht. Einzelne Punkte möchten wir wie folgt ergänzen und unterstreichen:

2.    Grün- und Freiflächen

2.1.        Flächen am Südtiroler Platz

Die Stadt hat sich hauptsächlich mit Maßnahmen zur Förderung des motorisierten Individualverkehrs immer weiter von den vielfach formulierten Zielen einer einladenden Gestaltung und einer hohen Aufenthaltsqualität entfernt und den Sieger-Entwurf des Architektenwettbewerbs - der einen weitgehend autofreien Vorplatz vorsah - immer mehr missachtet. Dies wird sogar noch weiter fortgeführt, wie Punkt 4.3 zeigt.

Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die Untersuchungen zur saP am Südtiroler Platz nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurden:

  • Bei der von der Regierung von Oberbayern verlangten Untersuchung auf Quartiere für Fledermäuse und höhlenbrütende Vögel hätte mindestens eine zweite Inspektion im Frühjahr stattfinden müssen. Viele Bäume wiesen bzw. weisen sehr wohl einen ausreichenden Durchmesser nicht nur für Sommerquartiere von Fledermäusen auf.
  • Bei Begehungen mit Fledermausdetektoren hätten auf alle Fälle Fledermäuse erkannt werden müssen, wie das bei einer BN-Untersuchung im Sommer 2013 der Fall war.

Damit sind auch die Folgerungen in der saP zweifelhaft.

Die Informationen im Jahr 2014 aus der Verwaltung zur möglichen Erhaltung von wenigstens vier Bäumen klangen sehr positiv, z. B. im Rahmen der Veranstaltung mit den Bürgern. Ohne das Ergebnis weiterer Untersuchungen abzuwarten oder bekannt zu geben, wurde mittlerweile der Bunker beseitigt und damit die Möglichkeit vertan, hier an zentraler Stelle ein Mahnmal gegen Diktatur und Krieg zu schaffen und weitere Bäume auf dem Bunker zu erhalten. Und nicht nur dies: Auch die vom Bunker-Abriss nicht betroffene Kastanie wurde beseitigt. Somit wurden vorzeitig Fakten geschaffen. Nun kann nicht einmal das bescheidene Ziel der Erhaltung von vier Bäumen eingehalten werden.

Unsere Zweifel daran, dass sich die Neugestaltung speziell des Südtiroler Platzes positiv auf das Ortsbild auswirken wird, verstärken sich angesichts der Fällung fast des gesamten gesunden alten Baumbestandes, der Vernichtung der Grünflächen und der noch stärkeren Zunahme des Autoverkehrs.

Der Hinweis auf Neupflanzungen kann uns nicht befriedigen. Diese können den Bestand bekanntlich allenfalls in Jahrzehnten ersetzen - ob man das Stadtbild, die Aufenthaltsqualität oder den Artenschutz betrachtet. Dabei wäre gerade an dieser Stelle die Temperaturabsenkung in immer heißer werdenden Sommern und die Luftreinigung bei immer mehr Verkehr eminent wichtig. Baum-Neupflanzungen helfen auch nicht gegen die großflächige Versiegelung des Platzes.

Durch eine Veränderung oder Verlegung der Taxischleife gäbe es nach wie vor die Möglichkeit, hier eine größere Grünfläche zu schaffen. Die noch erhalten gebliebenen Bäume könnten dort ohne Probleme und ohne großen Aufwand noch Jahrzehnte stehen bleiben.

2.2.        Weitere Flächen

Wir halten unsere Kritik an der Fällung wertvoller biotopkartierter Einzelbäume westlich des Bahnhofs und an der praktizierten Vorgehensweise aufrecht. Untersuchungen zur Kampfmittelberäumung und natürlich auch Maßnahmen zum Artenschutz sind ohne Baumfällungen möglich, wie Beispiele aus anderen Städten zeigen. Gremien wie Naturschutzbeirat oder Umweltausschuss wurden dazu nicht gehört. Es gab auch keinen Beschluss des Stadtrats, wie in der Begründung behauptet, sondern lediglich eine kurze Information. Uns gegenüber wurden die Fällungen im Nachhinein mit der Gefahr von Windwurf begründet. Im Ursprungs-Bebauungsplan von 2007 war die Fällung nicht vorgesehen, anders als im Beschlussbuchauszug vom März 2015 beschrieben. So heißt es in der Begründung vom 19.07.2007: "Einige der Einzelbäume .. entlang der Münchner Straße (1656.03 Silberweide und 1238.00 Ulme) können erhalten werden".

2.3.        Neupflanzungen

Wir begrüßen ausdrücklich die Festsetzungen zur Pflanzung autochthoner Bäume und Sträucher auf den Verkehrsflächen und in Baufeld 1; Bäume wie Platane, Rosskastanie und Säulenpappel zählen aber wohl nicht dazu.

3.    Bebauung

3.1.        Frischluftschneise

Trotz der Ausführungen im Umweltbericht und im Beschlussbuchauszug vom März 2015 fürchten wir nach wie vor, dass durch die dichte und hohe Bebauung die Wirkung der Kaltluftschneise eingeschränkt wird.

3.2.        Nutzung

Die Einstufung der Auswirkungen auf das Schutzgut Boden im Umweltbericht fällt zu moderat aus. Die großräumige Versiegelung mit dem weitgehenden Verlust der natürlichen Bodenfunktionen wird nicht ausreichend berücksichtigt. Der Umweltbericht von 2007 schätzt die Auswirkungen weitaus gravierender ein, und dies bei der damals geplanten deutlich geringeren Bebauung!

Aufgrund der Verkehrs- und Luftschadstoffprognose (siehe unten) ist bereits heute absehbar, dass z. B. in der Äußeren Münchener Straße unerträgliche und gesetzwidrige Belastungen durch Abgase und Lärm auf die Menschen zukommen. Verkehrsknotenpunkte wie Brückenberg und Kufsteiner/Gießereistraße sind der Belastung nicht gewachsen. Geplante Ertüchtigungen wie eine neue verbreiterte Kanalbrücke an der Äußeren Münchener Straße können das Problem nicht lösen, sondern führen nur noch mehr motorisierten Verkehr in die Stadt. Eine Verbesserung des ÖPNV ist leider nicht in Sicht.

Durch eine rasche Bebauung werden Gestaltungsspielräume für die Zukunft verbaut. Freiflächen, die teilweise eine überraschend hohe ökologische Bedeutung haben, gehen zu früh verloren.

Wir fordern daher weiterhin eine reduzierte und verlangsamte Bebauung sowie Nutzungsarten, die weniger Verkehr erzeugen als z. B. Einzelhandel.

3.3.        Energiekonzept

Die Nutzung erneuerbarer Energien gemäß den gesetzlichen Regelungen halten wir gerade an diesem Standort mit hervorragenden Bedingungen für die Sonnenenergie nicht für ausreichend.

Das Energiekonzept der Stadt Rosenheim sieht mit Recht in der Nutzung der Dachflächen für Strom- und Wärmeerzeugung das größte Potential für die erneuerbaren Energien, und hier besteht gegenüber anderen Kommunen ein enormer Nachholbedarf. Es ist uns unverständlich, dass den Interessen der Stadtwerke offenbar wieder einmal Vorrang eingeräumt werden soll.

Wir fordern daher weiterhin eine vorbildhafte Nutzung von Photovoltaik und Solarthermie, z. B. durch Festsetzungen gemäß  §9 Abs.1 BauGB. Durch weitergehende Vorgaben könnte sogar ein Plusenergie-Konzept für Gewerbebauten realisiert werden.

Konkret fordern wir auch die Ausstattung der Dächer des regionalen Omnibusbahnhofs mit Photovoltaik-Modulen.

3.4.        Dach- und Fassadenbegrünung

Wir begrüßen ausdrücklich die Festsetzungen zur Dach- und Fassadenbegrünung.

Es ist schwer einzusehen, dass verschiedene Dächer ausgenommen bleiben sollen.

4.    Verkehr

4.1.        Überführung für Fußgänger und Radfahrer

Wie in unseren früheren Stellungnahmen von 2007, 2010 und 2013 ausgeführt, wurde leider mit der Bahnunterführung das Ziel verfehlt, eine wirkliche Stadtteilverbindung zu schaffen; insbesondere ist die Unterführung mit dem Rad nicht befahrbar und setzt auf eine immer häufiger unzuverlässige Aufzugs-Technik. Somit ist auch die im Kapitel Gender Mainstreaming zugesagte barrierearme Fuß- und Radwegeerschließung manchmal nicht gegeben.

Umso wichtiger ist daher die baldige Realisierung einer durchgehend gut befahrbaren Überführung. Anscheinend ist aber auf der Südseite noch nicht einmal ein Grundstück und die Wegführung gesichert!

4.2.        Fahrrad-Abstellanlagen

Eine ausreichende Zahl gut erreichbarer Abstellplätze zu errichten, gehört angesichts der dramatischen Unterversorgung zu den wichtigsten Aufgaben am Bahnhof. Dennoch gibt es immer noch keine fertige Planung für das Fahrradparkhaus; ein offenbar vorgesehenes dreistöckiges Gebäude mit Rampen dürfte nicht die gewünschte Akzeptanz erzielen. Die Aussicht auf Fertigstellung hat sich schon wieder nach hinten verschoben, mittlerweile auf 2019! Somit dürften Fahrräder weiterhin „wild“ abgestellt werden, ohne Rücksicht auf Stadtbild und Bäume.

Wir fordern daher deutlich größere Anstrengungen bei Planung und Bau des Fahrradparkhauses.

4.3.        Mit dem Auto befahrbare Zonen

Der autofreie Bereich wurde gegenüber früheren Planungen durch die im östlichen Teil des Vorplatzes gelegene Kurzparkzone und die im westlichen Teil geplante Taxischleife drastisch verkleinert. Bereits die bisher geforderten 40 Kurzzeit-Parkplätzen stellten eine deutliche Steigerung gegenüber dem bisherigen Status dar. Für die Stadtratssitzungen im Juli 2015 wurde nun von den Architekten sogar ein Plan präsentiert, der eine Erweiterung der Zahl von Kurzzeit-Parkplätzen auf 48 vorsieht! Diese Entwicklungen gehen eindeutig nicht auf einen tatsächlichen Bedarf der Bahnreisenden, sondern auf die erfolgreiche Lobby-Arbeit der Gewerbetreibenden im Bahnhof und der Deutschen Bahn als Immobilienbesitzer zurück.

Der Auto-Mehrverkehr auf dem Vorplatz gefährdet Sicherheit und Lebensqualität aller anderen Verkehrsteilnehmer durch die Befahrung immer größerer Bereiche, in denen sich schwächere Verkehrsteilnehmer aufhalten, und durch die zunehmende Lärm- und Abgasbelastung. Dieser Verkehr wird damit auch gegenüber anderen Verkehrsarten einseitig bevorzugt, z. B. durch kürzere Wege zum Bahnhof im Vergleich zu Regionalbus-Benutzern. Das widerspricht dem Ziel des Integrierten Energie-, Klima- und Umweltschutzkonzepts, den motorisierten Individualverkehr in Rosenheim zu verringern.

Wir fordern daher weiter die Reduzierung der Kurzzeit-Parkplätzen auf der Nordseite, auch durch teilweise Verlagerung des Hol- und Bringverkehrs auf die Südseite. Eine vollständige Verlagerung wollen wir (anders als es im Beschlussbuchauszug vom März 2015 klingt) nicht. Lokale Maßnahmen zur Förderung der umweltfreundlichen Verkehrsarten, wie eine baldige Verbesserung der Fahrrad-Abstellsituation, können ebenfalls helfen.

Bei einer Reduzierung der Kurzzeitparkplätze auf der Nordseite halten wir dort die Konzentration der normalen Kurzzeitparkplätze auf einen einzigen Bereich durchaus für möglich, um Parksuchverkehr zu vermeiden.

4.4.        Prognosen für Verkehr und Luftschadstoffe

Die Verkehrsprognose zeigt einen gravierenden Anstieg des Kfz-Verkehrs durch die geplanten neuen Nutzungen auf. Dies führt z. B. auf der bereits heute überlasteten Äußeren Münchener Straße samt Brückenberg zu einer Mehrbelastung von ca. 3.800 Kfz/Tag. Selbst die Fertigstellung der Westtangente könnte diesen Anstieg nur etwa zur Hälfte kompensieren. Problematisch ist auch die Kreuzung Gießereistraße/Kufsteiner Straße. Der zumindest übergangsweise Zustand mit Fertigstellung nur des Südteils der Westtangente ist anscheinend überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei wird insbesondere die Äußere Münchener Straße und der Brückenberg noch weitaus mehr Verkehr aufnehmen müssen. Es ist keineswegs sicher, dass die Westtangente vor der Entwicklung des Gebiets fertiggestellt ist.

Die Luftschadstoffprognose verwendet leider nur Schätzwerte für die aktuellen Belastungen. Bereits auf der weniger belasteten (Inneren) Münchener Straße kann laut Prognose eine Überschreitung der PM-10-Kurzzeitgrenzwerte an über 35 Tagen im Jahr nicht ausgeschlossen werden. Wie sieht es dann erst an der Äußeren Münchener Straße aus, wo ja auch Leute wohnen und arbeiten?

Wir fordern daher nach wie vor:

  • Messungen (natürlich über längere Zeiträume) statt Schätzungen für die aktuellen Belastungen,
  • die Berücksichtigung zusätzlicher Fälle wie den Teilausbau der Westtangente;
  • die Berücksichtigung weiterer Gebiete, die durch den Mehrverkehr belastet werden, wie die Äußere Münchener Straße.

 

Leserbrief der BN-OG Rosenheim zu Bahnhof und Stadtentwicklungskonzept

Stellungnahme zum Bahnofsgelände Nord vom Juli 2014

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